Die Programmierleistungen von “Napster”

Auf meiner persönlichen Hassliste stehen Programmierer schon lange ganz oben – Abschusskandidaten Nummer eins. Daran wird sich in diesem Leben auch nichts mehr ändern, befürchte ich: den Platz machen ihnen nichtmals die Politiker streitig (die ich ja in einem unerklärlichen Anflug von Gnade nach Helgoland verbannt habe – mit, auch das muss ich zugeben, mäßigem Erfolg).  Heute würde ich gerne die Programmierer von Napster irgendwo versenken.

Napster ist so ein Musikabspuldienst im Internet, der irgendwelche wilden Vorfahren hat, (aber das geht uns ja allen so, irgendwo findet sich in jedem Stammbaum ein Raubritter oder Banker), heute aber legal ist – und Geld kostet, 10 Euro pro Monat.

Was sollte so ein Programmabspuler leisten, was erwartet man als Kunde? Vielleicht, dass er Musik im Angebot hat? Und dass man diese dann abspielen kann. Angebot haben sie, ob man alles dabei Musik nennen mag (ohne jetzt Hörbücher zu meinen) kann dahingestellt bleiben, aber es sind so Dingers vorhanden wie Pink Floyd, Jethro Tull, Madsen oder Van Morrison, sogar meine Jugend-Rodgaus und ähnliches. Nur mit dem Abspielen ist das so eine Sache. Weil man halt nicht mehr selbst die Platte auflegen kann, sondern auf das Werk von Programmierern angewiesen ist. Oh Hölle.

Das vorletzte Update (vor gut einem halben Jahr) auf die aktuelle Software-Version erfolgte so brachial, dass man ohne Vorankündigung gar nicht mehr an sein Konto kam: kein Login möglich, kein Zugang zur bezahlten Musik. Der Support erklärte dann, ich müsse erst die vorhandene Softwareversion auf meinem Rechner deinstallieren, dann die neue Version aufspielen und schon würde alles wieder gehen – und noch schöner und besser als zuvor. Ich war wirklich gespannt: sollte sich napster jetzt, da es zu “Rhapsody” gehört, wirklich mal drei Gedanken zu seinem Business gemacht haben und uns Kunden mit einer innovativen Musikverwaltung beglücken wollen?

Natürlich nicht. Wie so oft besteht die Verbesserung darin, dass erstmal vieles fehlt, was es vorher gab (man nennt es auch das “Prinzip Windows – destroy each running system”. Das ist bei napster natürlich nicht viel, denn das Programm war schon immer rudimentär.

* Der Speicherort für die Musikdateien lässt sich nicht mehr frei bestimmen. Ein echter Fortschritt. Liegt jetzt igendwo im Windows-Systemschrott und dort auch als solcher – also nicht mehr wie früher mit einem erkennbaren Dateinamen, bestehend aus Künstler und Musikstück. Das Abspielen einzelner Titel  ist außerhalb von Napster nicht mehr möglich (früher mit dem Windows Media Player möglich). Fortschrittliches Rechtemanagement eben.

* Damit entfällt das offline-Hören immer dann, wenn das Programm mal wieder meint, ohne eine Online-Verbindung nicht starten zu dürfen. (“Du warst zu lange offline. Bitte stell eine Internetverbindung her, damit wir dein Konto überprüfen können und du wieder Musik abspielen kannst.”) Und das kommt oft vor.
Früher ließ sich das Programm zickenlos auch ohne Internet-Verbindung starten und nutzen (natürlich konnte man dann keine neuen Titel downloaden – und dafür mache ich nichtmals Programmierer verantwortlich).

Hat man einen Surfstick eingesteckt, aber gerade keine Internet-Verbindung gebucht, lässt sich das Programm auch nicht nutzen: da es ja online-süchtig ist, erscheint nach dem Programmstart nicht die Benutzeroberfläche, sondern die Aufforderung, eine Internetverbindung zu buchen (man erkennt es auf dem Bild an dem kleinen Napster-Symbol links oben, ein Kopf mit Kopfhörern drum). Wer z.B. mobiles Internet im Zug nutzt, fliegt so regelmäßig aus Napster raus, weil das Programm Unterbrechungen der Online-Verbindung gar nicht mag. Es lässt sich eben nicht mehr sagen: ich will napster gerade offline nutzen!

* Früher konnte man ein paar wenige Dinge selbst festlegen. Z.B. ob mit dem “Play”-Button der gewählte Titel  sofort gespielt werden soll oder ob er in die Playlist eingeordnet werden soll. Das haben die Programmierer gemerkt – und deshalb geht es jetzt natürlich nicht mehr.

* Neuerscheinungen gibt es schon lange nur noch in der Portionsgröße, die Napster uns zuteilen möchte. Vor Jahren noch konnte man die Wochenlisten der Neuzugänge beliebig durchblättern – das war zum Entdecken gar nicht verkehrt.

* Ergebnisse lassen sich (weiterhin) nicht nach Veröffentlichungsdatum sortieren. Nicht so tragisch, das napster-Datum bezieht sich ohnehin meist darauf, wann etwas in den Napster-Bestand aufgenommen wurde. Entsprechend antik sind manche napster-Neuerscheinungen.

* Das eigene Archiv ist weder nach Titeln (nur Künstlern) noch Download-Datum sortierbar (was sehr sinnvoll wäre, um neu hinzugefügte Musik zu finden und zu hören); eine Suchfunktion fürs eigene Archiv gibt es auch nicht. Dass es keine Alben-Liste gibt ist natürlich bei den vielen “Various Artists”-Alben ziemlich scheiße. Dafür wird die Künstler-Liste unendlich lang und unübersichtlich.

* Playlisten werden nun ausschließlich online verwaltet. Will man sie offline nutzen, muss man sie zuvor manuell downloaden. Für soviel Unsinn benötigt man sicherlich ein Spezialdiplom, denn der Feld-Wald-und-Wiesenhacker bekommt soviel Schmarrn gar nicht hin.

* Musikstücke enden oft abrupt, irgendwie zu früh. Und nach jedem Stück kommt natürlich eine Pause:

* Nervig ist auch, dass napster nicht kapiert, welche Stücke zusammengehören und dass man die einzelnen Songs einer Live-Aufnahme nicht unterbrechen darf. Kriegt irgendwie jeder CD-Player hin. Und erst recht dieses ganz moderne Datenträgerdings da, Schallplatte.

* Es gibt nicht mehr die Möglichkeit, Lieder so der aktuell laufenden Playlist hinzuzufügen, dass sie als nächstes gespielt werden. Entweder wird es sofort gespielt – damit wird aber die gesamte noch offene Playlist überprungen und nach dem Stück endet das Konzert – oder das Lied wird ganz ans Ende gesetzt.

* Die Suchfunktion ist miserabel  – das hat man sich wohl vom Erfolgsmodell Facebook abgeschaut, da klappt ja auch nichts.

* Es gibt keine Album-Informationen: Gesamtspielzeit, Aufnahmedatum und -ort, irgendwas aus dem Booklet, gar die Songtexte (spotify bekommt das gerade so hin, ist aber sonst ähnlich bescheuert und optisch noch schlimmer).  Man wüsste doch gerne, wer da plötzlich bei Niedeckens “Verdamp lang her” mit Post-Teeny-Stimme mitsingt.

* Wenn napster Titel entfernen muss, weil es keinen Lizenzvertrag mehr gibt, unterbleibt jeder Hinweis. Man kann nur irgendwann feststellen, welche Musik aus dem eigenen Archiv verschwunden ist. Dabei wäre eine Protokoll-Angabe doch sehr einfach.

* Und weil sich Napster /Rhapsody auf sein “Kerngeschäft” “Flatrates” konzentrieren will, kann man auch keine Musikstücke mehr kaufen (sie also nach dem kostenpflichtigen Download auf beliebigen Medien nutzen und kopieren). Das war durchaus eine interessante Option. Aus und vorbei.

* Schließlich: Napster frisst sämtliche Computerressourcen. Das Programm ist unglaublich langsam – online wie offline – und offenbar sehr mit sich selbst beschäftigt. Es schafft es auch nicht, alle nötigen Datenaktualisierungen (Rechtemanagement) in einem Zug zu erledigen. Man klickt auf irgendwas, und dann rödelt die Kiste erstmal wieder eine Minute lang, bevor sich irgendetwas tut. And so on.

Fazit: Wenn es einem gelingt, Musik abzuspielen, ist Napster nicht zu beanstanden – allerdings hat das nichts mit Napster zu tun, sondern mit den Künsterlnnen, die Musik machen. Alles, was Eigenleistung von Napster ist, geht mit solcher Penetranz an Wünschen der Kunden und Möglichkeiten der Technik vorbei, dass man bei aller Abwehr Verschwörungstheorien entwickelt. (Stand 23. Oktober 2014)

 

Ergänzend zur Smartphone-Version (2018):

* Bookmarks gibt es weiterhin nicht. Dass man ein Hörbuch vielleicht beim nächsten Mal an einer bestimmten Stelle weiterhören möchte…?

* Die Anzeige von Titelinformationen ist natürlich begrenzt. Entsprechend fehlt oft das meiste.

* Durch seine lange Künstler- oder Albenliste kann man nur durch Wischen voranschreiten. Naja, die jungen Programmierer heute kennen halt keine Telefonbücher mehr, da hatte man schon mal eine Lösung entwickelt, ganz analog und mit Schnitttechnik…

* Fremde Musikdateien lassen sich weiterhin nicht integrieren. napster ist ein solitäres System.

Status Juli 2022:

Kürzlich haben  die Programmierer von Napster wieder Weihnachten gefeiert: und den  Kunden zwangsweise ein “Update” verpasst. Was sollte dabei anderes herauskommen als eine Katastrophe? Es ist noch unübersichtlicher, lädt noch langsamer (bzw. oft gar nicht, siehe Twitter-Screenshot) und verweigert gerne jede Aktivität. Dazu passt auch die Kommunikationsverweigerung der möglicherweise noch vorhandenen Mitarbeiter bei Napster, oder eben der programmierten Algorithmen. Im Abstand von Tagen oder Wochen wird ein Promo-Tweet abgesetzt, die Wut der zahlenden Nutzer wird schlicht ignoriert, keine einzige Antwort ist zu finden.

Aus diesem  Anlass nochmal ein paar Highlights der Napster-Unfähigkeit:

* “Lesezeichen”  bei Hörbüchern werden nie automatisch gesetzt. Vergisst man, dies manuell zu tun, kann man die Stellle, an der man zuletzt aufgehört hat, suchen gehen – was bei der üblichen Kapitelanzeige mit schlichten Nummern ein Lottospiel ist.

* Neuerscheinungen werden nicht gelistet. Was an Auswahl vorgeschlagen wird, ist minimal und Quatsch. Also muss man selbst mit Neuerscheinungslisten arbeiten und jedes Album eigens suchen.

 

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