Anschlussreisende

Eine der schönen Eigenschaften des Deutschen ist die Möglichkeit, eigenmächtig Wörter zu neuen zu verbinden. Das macht manches bekanntlich kurz und knackig. Schöne, leider schon geschöpfte Wörter sind z.B.Dachgepäckträger, Bettnässer oder Butterbrotpapier. Neue sammelt unter anderem der schöne Twitter-Account Wortgeburt.

Es gibt natürlich auch kurze, prägnante Zusammensetzungen, die leider hässlich sind: Skisarg etwa.

Aber was soll der von der Bahn in allen Ansagen besonders bedachte “Anschlussreisende”? Anschlusssuchende gibt es in Zügen nicht wenige. Der Duden kennt sogar schon Weiterreisende, was unsere Sprache auch nicht wohlklingend macht

Der Anschlussreisende ist in aller Regel mit dem gewöhnlichen Reisenden, dem Fahrgast, Gast oder Kunden reichlich identisch. “Gäste mit dem Reiseziel XY” steigen doch eleganter um als “Anschlussreisende nach Vor- oder Hinterzarten”, um die es existenziell schlecht bestellt ist, wenn “der Anschluss leider nicht warten konnte” – denn was sind  Anschlussreisende nach Dingenskirchen ohne Anschluss nach ebendort? Nach Bahnlogik würden  sie vielleicht schnurstracks zu “Planmäßiganschlussreisenden” (Sie kennen die Gleisansage: “Der ICE 08siebenundfuffzich von München nach Hamburg, planmäßige Abfahrt 8:32 Uhr, entfällt heute.” (leider wird insbesondere bei den automatisch generierten Ansagen der Punkt nicht mitgesprochen, der solche Botschaften in ihrer Schlichtheit krönen würde).

Die meisten Sätze dürften besser werden, wenn der Anschlussreisende sie verpasst. Immer wieder zu vernehmen, wohl aus einem Bahndeutsch-Setzkasten: “Verehrte Fahrgäste, unsere Weiterfahrt verzögert sich noch um wenige Minuten. Grund: Warten auf Anschlussreisende.”

Die Wahrheit aber ist doch: “Der ICE von Hannover nach Köln hat es mal wieder nicht geschafft, rechtzeitig hier bei uns einzutreffen, so dass wir noch ein wenig auf ihn warten müssen.” Ob da nun Anschlussreisende mit Sack und Pack zu uns hasten werden, spielt für die “Verzögerung im Betriebsablauf” keine Rolle.

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