Jägertopfschmarrn

perserDie Jagd ist ein wunderbar emotionales Geschehen. Den einen archaischer Urtyp des Menschseins, zumindest des männlichen, den anderen grausames Freizeitvergnügen gut betuchter und schlecht beseelter Waffennarren. Das macht die Diskussion um Änderungen im Jagdgesetz nicht gerade einfach. Beispielhaft dafür ein taz-Beitrag von Heiko Werning und die Diskussionen dazu auf Facebook. Wen’s interessiert: bitte erst Wernings Beitrag lesen (“Katzen in den Kochtopf“), dann meine Anmerkungen hier.

1. Die Landesjagdgesetze sind für die Jäger gemacht. Denn: ohne Jäger bräuchte es auch keine Jagdgesetze. Also: was dürfen sie, was müssen sie, und was haben andere zu erdulden. Es geht hier weder um Tier- noch um Naturschutz (auch wenn das in den Eingangsformeln so anklingt).

2. Haustiere, die sich außerhalb von Siedlungen aufhalten, nicht mehr abschießen zu dürfen, reguliert daher nur die Jäger. Der Grund ist sehr einfach: Tierhalter finden es unschön, wenn ihr Haustier erschossen wird. An dieser Stelle ist zunächst mal noch vollkommen uninteressant, was Katzen ökologisch bedeuten.

3. Unser Wertesystem ist nicht objektiv. Unser ganzes Handeln ist von subjektiven Werten geprägt, von Nähe und Distanz. Es ist völlig absurd und geschieht doch in jeder Diskussion, eine objektive, allgemeingültige Ethik zu fordern. “Brot statt Böller” klingt gut, und aus freien Stücken kann sich ein jeder zu dieser Haltung entschließen – aber man ist eben kein Unmensch, wenn man der Parole nichts abgewinnen kann. Entsprechend albern ist jeder Versuch, die individuelle Wertung von Beziehungen zu diskreditieren. Mein Hund ist mir näher als das Schwein des Bauern nebenan. Ich fahre auch hunderte Kilometer, um meine dusselige Oma zu besuchen, obwohl  es doch in der unmittelbaren Nachbarschaft auch einsame alte Frauen gibt, die ich besuchen könnte. Im Preis-Leistungsverhältnis wäre es auch anzuraten, die eigenen Kinder an den lieben Hund zu verfüttern und mit dem ab diesem Moment eingesparten Geld kleine Inder zu unterstützen. Um das zu verstehen, brauchen Biologen weder Kant noch Konsorten.

4. Katzen hinterlassen keine Blutspur. Das ist Jägerlatein, aber sicher keine herpetologische Feststellung. Sie leben ausschließlich im menschlichen Nahbereich, und dort sind sie seit Jahrhunderten Teil der menschlichen Kulturlandschaft. Mit dem Menschen kam der Haussperling, dem Katzen gerne nachstellen. So what? Es geht ja wohl kaum um einen neuen Pazifismus. Wer sinnlose Tode beklagt muss zunächst sinnvolles Leben definieren – das sollte man vielleicht nicht anlässlich einer kleinen Jagdgesetznovellierung versuchen.

5. “Kein natürlicher Mechanismus gebietet dem Einhalt, weil all die Muschis und Mimis von Menschen gemästet werden, sodass sie enorme Populationsdichten erreichen”, schreibt Heiko Werning, was schön klingt aber grober Unfug ist (mal wieder). Im Gegensatz zu ihrer Beute sind die meisten Katzen an ihrer Fortpflanzung gehindert, und dort, wo es sie überhaupt außerhalb der Wohnungen gibt (ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren in Berlin nur eine einzige Katze gesehen zu haben – außer hinter Fensterglas) stellt ihnen ein vierrädriger Prädator mit beachtlichem Erfolg nach (obwohl er sich regelmäßig auch nicht weiter für seine Beute interessiert, trotzdem sie doch so lecker für ihn ist).

6. Der Abschuss von Katzen ist in jedem Fall sinnfrei – er bringt weder dem Naturschutz etwas noch dem individuellen Tierschutz. Noch deutlicher wird das übrigens bei Hunden, auf die Jäger noch mehr Groll haben als auf Katzen. In deutlich mehr als drei Jahrzehnten Beobachtung zahlreicher eigener und noch viel mehr fremder Hunde kann ich sagen, dass freilaufende Hunde definitiv keine Konkurrenz zum Jäger darstellen. Einen Fasan hat der Deutsch Kurzhaar mal bekommen, ansonsten hat er gerne Mäusebabys freigelegt. Alles andere sind mal Jagdsprints ohne Erfolg. Wäre dies anders, hätten wir zum einen verwilderte Hunde, die sich am deutschen Niederwild gütlich täten, zum anderen würde die Jägerschaft Hunde entsprechend nutzen.

7. Wenn Werning Katzen zu Gulasch verarbeiten möchte – von mir aus. Ich bringe ihm auch gerne im nächsten März oder April tausende Kadaver vorbei, die ich ohnehin von der Straße sammle und aus denen er sich ein lecker Erdkrötengulasch mit etwas Bergmolchnote zubereiten kann. Igel und vor allem Waschbären hätte ich ganzjährig zu bieten. Mein Ansatz ist schon immer, Tiere, die man essen möchte, gut zu behandeln, anstatt Tiere, die man gut behandelt, vom Verzehr auszuschließen. Dass ich dennoch meine Hunde und Katzen nicht schlachten möchte, liegt wieder an dieser verflixten Beziehungskiste. Ich päppel auch ein einzelnes Huhn über Wochen auf, während mein etwas übermuskulöser Spross sicherlich ein Dutzend vertilgt.

Was den Tierschutzaspekt der Kalbfleisch-Substitution betrifft, haben wir es mit der ältesten Debatte aus dem ethischen Veganismus zu tun. Denn wo keine Milch getrunken und kein Rind gegessen wird, gibt es eben keine glücklichen Kälbchen, sondern gar keine mehr.

Update 29.10.2015:

Weil Klaus Röther vom Landesjagdverband Hessen gerade mal wieder in den Medien ist mit seinem Jägerlatein, muss ich doch noch zitieren, was er mir bereits am 5. März 2015 auf eine entsprechende journalistische Anfrage hin schrieb. Seine Informationen und Fotos darf ich leider nicht verwenden – aber seine ungemein sachliche Entgegnung zu meinem Punkt 6 hier darf ich wohl zitieren: “Wahrscheinlich kann man gar nicht anders, wenn man in Bochum wohnt. Ich habe in dieser Stadt mehrfach übernachtet und sie grässlich gefunden.” Mehr Einblick in die ungeheure Logik eines Jäger-Hirns ist wohl nicht nötig.

Zum Wildern von Hunden nochmal deutlich: Natürlich kommt es vor, dass ein Hund ein schwaches oder junges Wildtier reißt. Der Hund ist aber nicht verwildert. Warum mich Fotos von gerissenen Rehkitzen schocken sollen, verstehe ich auch nicht. Die Zahl angefahrener und angeschossener Tiere ist weit höher und ihr Leiden vermutlich weit größer, in jedem Fall unnatürlicher.

Jäger haben in Deutschland einen schon nur noch ekelhaft zu nennenden Lobbyeinfluss. Geschickterweise durchsetzen sie nicht nur die Politik, sondenr – Dank der Förster – auch noch den Naturschutz. Deshalb äußern sich Nabu und Bund niemals sachlich korrekt zur Jagd, sondern stets devot.

Auch Jäger sollten verstehen können, was Demokratie ist, wenigstens in der Theorie. Und wenn dann eben die Mehrheit den Abschuss von Haustieren nicht will, – dann haben sie verdammt noch mal auch nicht zu schießen, ganz gleich, was ihr Jägerlatein alles an altruistischen Großtaten der Knallfrösche hervorbringen mag. Und mit einem sachlich und demokratisch richtigen Diskussionsformat wäre das Thema ratzfatz und endgültig vom Tisch.

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