Kriegserklärungen gegen Tüten und Edathys (KW 10)

Umwelthilfe-plastiktueten# Plastiktüten gehören nicht ins Meer. Wow, das haben sogar Politiker inzwischen bemerkt. Ihr Plan: eine Kriegserklärung an die Plastiktüte! Mit dem Kriegsziel, schon in zehn Jahren deutlich weniger Plastiktüten ins Meer zu verbringen! Und da soll man nicht “politikverdrossen” werden, sein oder bleiben? Da soll man keine unbändige Wut auf diese unerträglichen Backen entwickeln? Denn die Unfähigkeit, Plastikmüll nicht ins Meer zu kippen, ist ja nur eine von vielen Unerträglichkeiten, die einem täglich Herzklabastern verursachen können. (Und natürlich zeigt ein kleiner Blick ins Archiv, dass die EU-Politiker schon seit Jahren davon sprechen, der Plastiktüte den Kampf ansagen zu wollen, den Krieg zu erklären, halt martialisch rumzutönen.)

# Muslimische Geistliche sollen in Deutschland Deutsch sprechen, hat – eher beiläufig auf Vorhalt – Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gefordert (Welt-Interview). Und wie üblich wurde auch das dumpfste Politikergeplapper von hirnfreien Journalisten kolportiert – damit der Schwachsinn auch so richtig in der Welt ist. Auf die einfachsten Fragen (“Recherchen”) kamen die Stützen unserer Demokratie mal wieder nicht: Wie halten “wir” das eigentlich im umgekehrten Fall? Könnte es sein, dass aus Deutschland stammende christliche Religionsvertreter im Ausland nicht in der Landessprache predigen und singen, sondern in dem ihnen und ihren Gemeinden vertrauten Ausländersprache Deutsch? Und könnte es sein, dass diese ausländisch sprechenden deutschen Religionslehrer auch noch von Organisationen aus dem Ausland bezahlt werden?
Wohlwissend, dass man von Behörden im besten Falle Schweigen erwarten kann, hoffte ich ein wenig auf klärende Worte von Kirchenmitarbeitern, insbesondere der EKD und ihrem neuen, gerne plauderndem Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm – bis ich im eigenen Archiv daran erinnert wurde, dass sein Vorgänger ja selbst die Deutschsprechpflicht für Muslime in Deutschland gefordert und damit – weil später keine Korrektur zu vernehmen war – seine Behörde bereits ins Aus geschwätzt hatte. Denn selbstverständlich finanziert die EKD “Auslandsgemeinden“, und die dorthin aus Deutschland entsendeten Pfarrer halten selbstredend Gottesdienste auf Deutsch (nur deshalb kommen die “Auslandsdeutschen” ja schließlich).

# Nicht nur im Kabarett wird stets der Kunde verarscht (und nicht etwa der Politiker, der scheinbar Gegenstand der Satire ist), – auch der gemeine Internetwitz lebt wesentlich davon. Hahaha sind die Amis doof, die eine Wasserschildkröte aufs Sofa setzen, ihr Salat vors Maul legen und sich dann darüber wegömmeln, dass der Turtle-Apparat so gar nichts lustiges macht.
Aber Vorsicht vor Hochmut: evolutionsbiologisch betrachtet reicht das amerikanische Weißbrothirn völlig aus, um Hamburger zu fressen und sich damit weltweit breit zu machen.

# Edathy, ja, dazu wollte ich schon seit über einem Jahr etwas notieren. Aber wer fasst so ein Thema schon gerne an, außer um öffentlich zu kotzen? Und außerdem war mir Sebastian Edathy schon lange unsympathisch, lange vor seiner angeblichen “Kinderporno-Affäre”. (Bauchgefühle sind eben wie Vorurteile eine durchaus sinnvolle, nicht von ungefähr evolvierte Sache.) Es ist wie so oft das journalistische Versagen, das mich aufregt. Weil es sich durch alle Medien hindurchzieht und nicht bloß die Panne eines Autors ist. Die derzeitige öffentliche Empörung über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Edathy liegt schlicht und ergreifend in der über ein Jahr lang praktizierten Desinformation. Mit zwei simplen, stets zu fordernden Maßnahmen wäre dem jederzeit zu begegnen gewesen:
a) Ersetze willkürlich definierte Schlagworte durch klare, möglichst wertungsfreie Beschreibungen. Schreibe statt “Kinderpornographie”, was zu sehen ist auf den Fotos und Videos, die so pervers sein sollen, dass sich sogar der sonst analytisch scharfe Volker Pispers völlig vergaloppiert und von “seltsamen Neigungen” und “abscheulichen” Taten spricht.
b) Zeige, worüber du dir als Journalist eine Meinung gebildet hast, damit sie nachvollziehbar und der eigenen Meinunbsbildung nützlich wird.
Das ist nicht geschehen. Derzeit dürfte jede Abbildung eines nackten Minderjährigen als “Kinderpornografie” (§ 184c StGB) gelten, weil als “unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung” vielen alles gilt, was die primären Geschlechtsmerkmale überhaupt sichtbar werden lässt – und da sind wir längst nicht mehr beim Schutz von Minderhährigen vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch, sondern in einer geisteskranken Welt, die spielerischen Mord und Todschlag schon zum Frühstück für Ausdruck von Liberalität hält, mit dem Erscheinungsbild unverletzter Menschen aber sehr schnell an ihre nervlichen Grenzen stößt – und in der sexuelle Handlungen zwischen Jugendlichen nicht einmal mehr in einem Roman beschrieben werden dürfen.

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