Bundeswasserstraße Lierhaus (KW 30)

+ Was ist der Main? Ein Fluss etwa? Ein Sprecher der Stadt Frankfurt stellt klar: “”Wir haben es nicht mit einer Badeanstalt, sondern mit einer Bundeswasserstraße zu tun.”

+ Man darf sein Leben nicht scheiße finden. Nicht öffentlich jedenfalls. Es gehört zur Bürgerpflicht, das Leben als Geschenk (Religionsdusel) oder nationale Aufgabe (der Rest) zu sehen. So oder so, das Leben hat einem Zweck zu dienen, der von Politik und anderen Lobbygruppen bestimmt wird (vollendet verdichtet von Kurt Tucholsky in Kaspar Hausers Schulaufsatz “Der Mensch” formuliert: “Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch den Soldatentod Petroleumaktien in die Höhe zu treiben, durch den Bergmannstod den Profit der Grubenherren zu erhöhen, sowie auch Kultur, Kunst und Wissenschaft.”).Auf die derzeitige Erregung, die ein Interview mit Monica Lierhaus (oder vielmehr: die interessengesteuerte Behauptung von Interviewaussagen) erzeugt, passt ebenfalls eine Passage aus Tucholskys Mensch-Betrachtung: “Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören.”
Gesagt hat die Sportmoderatorin Lierhaus auf eine Frage nach ihrer Gehirn-OP, die in einem Desaster endete: “Ich glaube, ich würde es nicht mehr machen.” Unter anderem Christiane Link, ZEIT-Online-Beauftragte für die Einebnung Deutschlands, hat jedoch irgendwas derart gelesen: Ein Aneurysmas sollte nicht operiert werden, weil ein Leben nach einer solchen OP nicht lebenswert ist. Überhaupt sollten die Behinderten weg. “Monica Lierhaus kann über ihr Leben denken, wie sie möchte. Aber indem sie ihre negative Einstellung in die Welt hinausposaunt, transportiert sie ein Bild, das Menschen in einer ähnlichen Situation mehr schadet als nutzt.”
Auch Behinderungen sind schließlich Geschenk oder nationale Aufgabe – in keinem Fall aber “bemitleidenswert”, natürlich auch nicht selbstbemitleidenswert. Geschenk oder Aufgabe einer Behinderung hat ein jeder, was immer er darüber posaunenlos denkt, dankbar anzunehmen. Es gesellt sich zum Kadavar- der Krüppelgehorsam.

(Es gibt unglaublich viele Kommentare zu diesem Thema – schau(der)t selbst; zu den besonders grauenhaften gehört das Interview mit Ilja Seifert und  Jutta Pagel-Steidl. )

(Nachtrag 23. Juli: Weil ich mich die ganze Zeit wundere, wie man aus diesem Mini-Dialog im Original-Interview so viel Bohei machen kann, das übertrifft ja bald die theologischen Exegeten: Kritisieren im Sinne von “dumm gelaufen” kann man im Nachhinein nur den Interviewer Marco Fenske, dass er aus dem Thema nicht mehr gemacht hat, das Potential nicht bemerkt hat, welches in dem laut geäußerten Gedanken liegt: “Mir wäre viel erspart geblieben, wenn ich tot wäre.”)

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