Politik ist auch nur Sex
Rainer Brüderles “Sexismus” ist gerade ein TOP-Thema in einer der vielen digitalen Parallelwelten. Am Kiosk, wo ich mir die stern-Ausgabe (1) heute morgen gekauft habe, wars beruhigend anders. Da ging’s um die Sorge, wie der Frühschoppen zu finanzieren ist.
Zwei große Meinungslager sind derzeit zu beobachten: das laut tönende “Politiker lasst das Baggern sein” (2) einerseits und das empörte “Tabubruch-Privatsphäre-Journalistinnen halt” (3) andererseits. Auf beiden Seiten wird aber das Wesentliche nicht zur Kenntnis genommen: dass es bei Politik ausschließlich um Sex geht. Das ist keine Nebengeschichte am Abend in der Hotelbar – es ist das Kerngeschäft.
“Politik ist Sex” – das ist keine steile These, sondern Kleines Einmaleins der Ethologie. Und es wäre sehr hilfreich, wenn gerade Journalisten das, was sie im Biologieunterricht offenbar verpasst haben, mal nacharbeiten würden. Das kann und will ich hier nicht leisten, aber in aller Kürze ein paar Hinweise:
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist von der Verhaltensbiologie schon lange beantwortet: es geht darum, möglichst viel Nachkommen zu zeugen, die sich selbst wieder fortpflanzen, also reproduzieren. Dass der Mensch kraft seines einigermaßen großen Hirns mit dieser Sachlage unzufrieden sein kann und sich dann auf eigene Faust auf Sinnsuche oder Sinngebung macht, ist klar – führt aber gerade zu den Problemen, wie sie der “stern” ausmacht.
Denn die grundlegenden Verhaltensmuster einer emanzipierten Journalistin heute unterscheiden sich nicht von denen ihrer Ur-Ur-Großmutter am Höhlenfeuer. Und so steuern auch Politiker und Journalisten die gleichen Sex-Triebe. Wobei Sex bzw. Fortpflanzung natürlich weit mehr ist, als unverhüteter Geschlechtsverkehr.
Man braucht unter anderem einen geeigneten Paarungspartner, weil Jungfrauengeburten beim Menschen selten sind. Das ist heute mitunter ein sehr langer und mühseliger Weg, von der Pubertät bis zum ersten eigenen Kind vergehen da gerne mal 30 Jahre. Früher lagen da keine 12 Monate dazwischen: Menarche, Koitus, Niederkunft. (Aber heute wären das Teenyschwangerschaften.) Die 30 Jahre dienen der Sex-Vorbereitung, im heutigen Deutsch: der “materiellen Sicherheit”. Damit soll das Gedeihen des (potenziellen) Nachwuchses gesichert werden – biologisch absolut notwendig, denn nur ein sich selbst wieder reproduzierender Nachkomme ist Erfolg.
Was Politiker wie Journalisten in ihrem Beruf antreibt, ist kein neues Macht- oder Karrierestreben, sondern simple Ressourcenmaximierung. Wer in der Gesellschaft höher steht, bekommt die attraktiveren Paarungspartner und verfügt über mehr Geld, Statussymbole und Unterstützer, als die Rangniederen. Das soll dem Nachwuchs und damit dem eigenen biologischen Erfolg zugute kommen. Da mögen sich fortschrittlich wähnende Männer und Frauen jetzt soviel Chauvinismus, Sexismus und Sozialdarwinismus rufen wie sie können: so tickt der Mensch halt.
Wenn sich vor einem Jahr Rainer Brüderle an die stern-Journalistin Laura Himmelreich “herangewanzt” hat, mag das eine taktisch unkluge und im Ergebnis ja offenbar erfolglose Werbestrategie gewesen sein – aber sie sollte nicht der Rede wert sein, denn die meisten Annäherungsversuche scheitern, sprich: stoßen nicht auf Gegenliebe. Viele “Karriere-Menschen” verdrängen, warum sie überhaupt tun, was sie tun. “Weil es Spaß macht”, weil sie sich selbst-verwirklichen, weil sie die Welt retten wollen, weil es eben ihr Job ist? Lächerliche Selbstüberschätzung! Sie tun es, um biologisch erfolgreichen Sex zu haben, ihn wenigstens haben zu können. Niemand wird Politiker, weil es Spaß macht – so viel Dachschaden passt aufs größte Haus nicht.
Um Sex wäre es übrigens auch gegangen, wenn die stern-Autorin damals an der Hotelbar in Stuttgart ein Mann gewesen wäre – oder Brüderle eine Frau. Dann hätten nämlich zwei Konkurrenten beieinander gesessen. Ein großer Teil des menschlichen Verhaltens dient nicht der Partnerwerbung, sondern dem Zurückdrängen von Konkurrenten. Brüderles “Herrenwitz”, den die stern-Autorin so zotig findet, gehört dazu.
Politikjournalisten, die das alles nur absurd finden, sollten mal einen Studientag im Zoo Berlin oder Leipzig einlegen und unser nächsten Verwandten Bonobos und Schimpansen in aller Ruhe beobachten. Wenn der Punkt gekommen ist, dass sie das Einsperren dieser Primaten unverantwortlich finden, dürfte auch beim Lebensthema Sex der Groschen gefallen sein.
(1) stern Nr. 5/2013
(2) Bsp1, Bsp2, Bsp3,
(3) Bsp1, Bsp2, Bsp3, Bsp4,
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