Kirchenreform von oben

Irgendein Satz war mir begegnet, der mich neugierig gemacht hat. Nun habe ich mich drei Stunden durch die Materialien zur Kirchenreform in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gewühlt – und bin sehr frustriert. Denn auch dort bewegt sich nichts. Es wird nur langweilig gewurschtelt.
Natürlich maße ich mir nach der kurzen Beschäftigung keine Gesamturteil an. Aber ein paar klare Aussagen kann man wohl doch dazu machen – ganz knapp nur, ich habe zu all diesen Themen schon ausführlicher publiziert:

+ Wie immer ist auch in dieser evangelischen Landeskirche die Reform top-down organisiert. Dabei kann niemals eine wirkliche Reform herauskommen, denn der stehen die Macher ja alle im Weg.

+ Auch die EKBO begreift nicht das Kernproblem: ihren Klerus. (Das führe ich hier jetzt aber nicht weiter aus.)

+ Eine Kircheninstitution, in der eine Priesterkaste das Sagen hat und alle wichtigen Leitungsfunktionen für sich beansprucht, ist nicht gegenwartsfähig und erst recht kein Modell für die Zukunft.

+ Es ist keinerlei Glaubensfreude zu erkennen – was auch daran liegen dürfte, dass es einen ganz erheblichen Bedarf an Theologiereform gibt, der jedoch in keiner Landeskirche diskutiert wird, natürlich nicht. Ohne Glaubensfreude bleibt aber die wichtigste aller Fragen unbeantwortbar: Wozu Kirche?

+ Die als besonders wichtig angesehene Subunternehmertätigkeit für den Staat vor allem mit kirchlichen Kindergärten und Schulen wird auch im Osten nicht objektiv bilanziert. Ich bin sehr sicher, dass Kosten und Nutzen in einem völligen Missverhältnis stehen. Überall, wo Kirche als Arbeitgeberin auftritt, schafft sie sich – unweigerlich wie jeder andere Unternehmer – Probleme. Den wirklichen Ertrag zu messen traut sich aber niemand, er wird einfach behauptet.

+ Alle fünf Jahre soll es ab 2014 einen eintägigen Kongress mit 800 bis 1.000 Teilnehmern geben. Doch statt wenigstens hier einmal auf Zufallsauswahl zu setzen mit all den Chancen, die damit verbunden wären, werden wie üblich von den Kirchenkreisen Delegierte benannt.

+ Es sind fast keine inhaltlichen Ziele erkennbar (1), nur formale (“Verbindliche und flächendeckende Einführung des elektronischen Meldewesenverfahrens KirA auf rund 800 Arbeitsplätzen” – oh Himmel, ja das ist wichtig, und vor allem sehr, sehr gut, von den Helden der ECKD halt…)
Dabei heißt es in den “Orientierungspunkten” so erstaunlich: “Für unsere Zukunft als ‘lernende Organisation’ ist von wesentlicher Bedeutung, dass es in absehbarer Zeit auf allen Ebenen unserer Kirche gelingt, zielorientiertes Planen und Handeln einzuüben.”

In einer Pressemitteilung der EKBO heißt es: “Das Diskussionspapier vertritt folgende These: Auch wenn die evangelische Kirche kleiner wird und Strukturanpassungen vornehmen muss, wird sie offene und öffentliche Kirche bleiben.”
Ähnlich formuliert behaupten das derzeit noch alle evangelischen Landeskirchen. Ein Blick in die Geschichte spricht natürlich dagegen: keine Institution blieb ewig. (Aber natürlich fände auch die Bundeskanzlerin die Frage emporend, wann sich denn die Bundesrepublik Deutschland wohl auflösen wird – dass es sie nicht Jahrhunderte lang geben wird, ist jedenfalls höchst wahrscheinlich.)
Bei den Volkskirchen ist das Ende jedoch keine Spekulation, sondern berechenbar. Keine Landeskirche geht davon aus, den Mitgliederschwund stoppen zu können, das heißt die Austritte deutlich zu verringern und vom Sinn der Taufe, die zugleich Eintritt in die Kirche ist, zu überzeugen. Die Kirchen merken an allen Ecken und Enden, dass sich der Wind gedreht hat, wie sie immer weniger gefragt sind, wie ihre Angebote leer laufen. Aber alle “Reformen” wollen offenbar in erster Linie die Institution erhalten, Kritik “von außen” wird ignoriert, Grundsatzfragen (auch von Theologie-Professoren) sind tabu.

(1) Eines habe ich gefunden: das Ende der Kohleverstromung in Brandenburg.

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