Hirn statt Ampel
Berlin will „Count-Down-Ampeln“ testen. Man kennt sowas aus anderen Großstädten – sogar aus Bochum: Während der Rotphase wird angezeigt, in wie viel Sekunden es für die Fußgänger grün wird. Das soll sie in Geduld üben. Klingt gar nich schlecht. Ist aber der falsche Ansatz.
Denn man muss sich fragen, wie sinnvoll die „rote Ampel“ überhaupt ist, über die ja schon Kurt Tucholsky seinen Schreibkopf schütteln musste. In den meisten Straßen müsste das Verkehrstempo nur deutlich gebremst werden – und zwar nicht das durchschnittliche, sondern das Spitzentempo. Warten, warten, warten, dann Vollgas geben, dreihundert Meter rasen bis zur nächsten roten Ampel oder Kreuzung oder … Das ist städtischer Straßenverkehr, nicht nur in Deutschland. Die Ampelregelung dient dabei weder einem zügigen Vorankommen noch der Verkehrssicherheit. Sie regelt einfach nur, auf dem primitivst möglichen Niveau, nämlich digitlal: ja oder nein, du darst oder du darfst nicht.
Straßen in Städten sollten normalerweise für Fußgänger gefahrlos ohne Ampel und Zebrastreifen zu überqueren sein. Das geht, wenn nicht zu viel Verkehr unterwegs ist und das Tempo einer Stadt angemessen ist. Dann passiert auch Radfahrern wenig. Ampeln sind unintelligente Steuerungsinstrumente. Und 20.000 Euro Kosten pro Ampel für eine Countdown-Anzeige müssen zeugen auch von hirnfreier Planung.
Aus „Verbannung nach Helgoland“:
Der Straßenverkehr mit all seinen absurden Regelungen unserer Politiker ist ein einziger Herrschaftstumor, wild wuchernd und streuend. Nehmen wir die Ampel, von Menschen, die mit uns ganz offensichtlich nicht die Muttersprache teilen, auch „Lichtsignalanlage“ genannt. Um uns im Verkehr zu beherrschen, gibt es davon etwa 80.000 in Deutschland (deren Wartung allein schon 250 Millionen Euro kostet). Die meisten davon sind als moderne Menschheitsgeißel schlichtweg überflüssig, weshalb wir uns über nichts so sehr freuen wie über ihren Ausfall.
Die Ampel bringt den modernen Homo sapiens sapiens auf das geistige Level einer Kartoffel. Bringt man sie ins Licht, wird sie grün, legt man sie zurück in die dunkle Kammer, wird sie wieder braun. So hat auch der ampelkonforme Mensch zu funktionieren. Strengstens verboten ist jede Art von Hirntätigkeit – Autofahren nach STVO hat mit dem Rückenmark zu geschehen.
Da ist doch tatsächlich ein Mensch mit seinem Auto nachts an einer roten Fußgängerampel stehen geblieben, um dann doch drüber zu fahren – war ja nix los. Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied am 6. März 2003:
„Der Verordnungsgeber war […] der Auffassung, bei Kreuzungsampeln – und dazu zählen auch Fußgängerampeln – sei eine abstrakte Gefährdung grundsätzlich zu unterstellen. Es ist deshalb nicht zulässig, diesen Grundsatz dahingehend einzuschränken, dass Handlungen, die im konkreten Fall ungeeignet sind, das geschützte Rechtsgut in Gefahr zu bringen, von Nr. 132.2 BKat ausgenommen werden. Es war gerade das Anliegen des Verordnungsgebers, die abstrakte Gefährdung typisierend festzulegen. Diese Grundentscheidung […] ist auch von den Gerichten zu beachten. Ausnahmen können dafür allenfalls zugelassen werden, wenn eine auch nur abstrakte Gefährdung völlig ausgeschlossen ist.“
Im Klartext heißt dies: Der Autofahrer, der an einer menschenleeren Fußgängerampel zunächst gehalten hatte, dann aber weitergefahren war, bringt die nicht vorhandenen Menschen abstrakt in Gefahr – und das ist verboten! Damit es auch der Nicht-Jurist versteht, formuliert das Gericht daher noch mal klar das Denkverbot:
„Deshalb kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Fall eine konkrete Gefahr ausgeschlossen war. Aus Gründen der Verkehrssicherheit hält es der Senat erst recht nicht für hinnehmbar, wenn es der Entscheidung des einzelnen Verkehrsteilnehmers überlassen bliebe, ob eine konkrete Gefahr gegeben ist, und ob und wie lange er auf Grund seiner subjektiven Einschätzung der Verkehrssituation ein Rotlicht beachtet.“
Was hat das mit Herrschaft zu tun? Der Bußgeldkatalog für Verkehrsverstöße ist eine Verordnung, kein Gesetz. Es wird ausgeheckt von Beamten des Verkehrs- und Justizministeriums. Keine öffentliche Debatte, keine demokratische Entscheidung – man kann ja nicht über alles reden. Gleichwohl bindet es, wie wir sehen, natürlich die Gerichte. Weil also der „Verordnungsgeber“ nach Gutdünken Rechtsverstöße konstruiert – hier die Gefährdung von Fußgängern, die es gar nicht gibt – ist der Führerschein für einen Monat weg.
Wer das zweiminütige Warten vor einer unbenutzten Fußgängerampel nicht als Herrschaft versteht, sondern als einen nötigen Mosaikstein in der Staatsorganisation, den sollten wir eher mit dem dringenden Verdacht auf gemeingefährlichen Kadavergehorsam einem Psychiater vorstellen, als vom Rotlichtfahrer den Lappen zu kassieren. Doch die einzige winzige Rebellion, die der ein oder andere von uns gegen seine Herrscher wagt, ist das Rotlichtlaufen, das Ignorieren einer Fußgängerampel, freilich nie ohne zuvor intensiv nach Polizisten Ausschau gehalten zu haben und am liebsten doch verschämt 10 Meter vor oder hinter der Ampel.
Ampelgehorsam ist keine Frage von Political Correctness, Ampelgehorsam ist Alarmstufe rot auf der Verblödungs-Skala.
Siehe hierzu auch: Ampelweibchen
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