Transparente Nebensachen (KW 32)
+ Für Transparenz sorgen soll mal wieder die vollständige Angabe von „Nebeneinkünften“ der Politiker. Abgeordnetenwatch hat eine Unterstützerliste vorgelegt, nach der 223 Bundestagsabgeordnete eine „Komplettveröffentlichung von Nebeneinkünften auf Euro und Cent“ befürworten. Das Anliegen ist sicher nicht unehrenwert – aber was soll es bringen? Auf die Zusammensetzung des Bundestags haben wir ohnehin kaum Einfluss, jedenfalls nicht, was die einzelnen Abgeordneten angeht (sondern nur die Parteien, die dann Abgeordnete nach eigenem Gusto entsenden). Und die (privaten) Interessen von Politikern lassen sich mit deren Nebeneinkünften kaum abbilden. Viel interessanter sind deren Kontakte – und die lassen sich aus vielfältigen Gründen nicht vollständig offenbaren. Der Abgeordnete als ein unabhängiger Volksvertreter, der sich nur dem Gemeinwohl verpflichtet sieht, ist eine Fiktion.
+ Eine geheime Liste mit Gesetzesvorhaben der Bundesregierung hat netzpolitik veröffentlicht. Das ist uneingeschränkt gut. Nur: transparent wird Politik damit noch lange nicht. Denn nun können sich höchstens noch die verpennten Lobbyisten in Gang setzen, die von einem für sie wichtigen Vorhaben noch nicht gehört haben sollten. Die Idee der repräsentativen Parteiendemokratie ist ja ein andere: es wird vor der Wahl gesagt, was ansteht und was man zu tun gedenkt, so dass sich die Wähler entscheiden können (natürlich nur in der Theorie). Dem wiederum müsste bereits ein offener Bürgerdialog vorangehen (denn nicht Parteien sollten festlegen, was regelungswürdig ist, sondern der Souverän). De facto läuft es aber immer umgekehrt. Die Bürger können am Ende einer Legislaturperiode kurz diskutieren, was ihnen aus der – witzigerweise auch gar nicht trennbaren – Arbeit von Parlamentsmehrheit und Regierung und ggf. noch oppositionellem Wirken noch in Erinnerung ist – und dann erneut für vier Jahre Katzen im Sack kaufen. Wenigstens als begleitende Beratung könnte man doch mal etwas anderes probieren.
+ Irgendwie auch als Transparenzgebot lässt sich verstehen, was ein Rechtsanwalt aus der für einen Mandanten erwirkten Einstweiligen Verfügung herausliest: dass es nämlich die Pflicht der Medien sei, schon im Vorspann bzw. Anreißer eines Artikels ausgewogen zu berichten, zumindest, wenn sich der Rest des Artikels hinter einer Bezahlschranke verbirgt. Spiegelkritik widerspricht dieser Lesart natürlich (versteckt im dritten Themenblock der „Kurz kommentiert“-Sammlung).
+ Gegen zentralisierte Kirchengemeinden, gegen Pfarrerzentriertheit und für die Stärkung des Ehrenamts (bzw. der Mitgliederbeteiligung) hat sich in einem Interview – bereits im Mai – Alois Glück ausgesprochen. Viele der konstruktiv-kritischen Gedanken, die Glück als Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) äußert, finden in den evangelischen Kirchen keinerlei Gehör. „Wir haben auch die hoch problematische Entwicklung, dass sich vom Priesteramt immer mehr auch junge Männer angezogen fühlen, die ins überhöhte Selbstverständnis des Würdenträgers zurückfallen und klerikal-autoritäre Verhaltensmuster leben.“ Das trifft leider auf den Protestantismus derzeit auch zu.
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