Uralt-Weizenbrot

Die meisten Teigspielereien lohnen es nicht notiert zu werden – jeder einigermaßen kreative Bäcker verändert ja ständig etwas, aus Experimentierlaune oder bestimmten Umständen heraus, so dass eine wenig hilfreiche Rezeptflut entstünde.
Dieses Brot hier notiere ich auch nur, weil es zeigt, wie problemlos man einen vier Monate alten Teigrest zum Start für ein wohlschmeckendes Brot nehmen kann.
Es war schlicht die Neugier: Was geht noch mit so einem alten Pizzateigrest, den ich im Kühlschrank habe? Normalerweise gebe ich den einfach in den nächsten Pizzateig, zur Aromaverbesserung. Aber jetzt wollte ich wissen: wie triebfreudig ist so ein Altprodukt, das mal mit simpler Bäckerhefe aufgepustet wurde? In der Zwischenzeit haben sich natürlich alle möglichen Hefen und Pilze im Teig breit gemacht, aber er roch noch dezent und schmeckte gut, wie üblich bei so alten Exemplaren recht (fusel-)alkoholisch.
Also habe ich einen Löffel voll davon genommen, in Wasser aufgelöst und mit neuem Weizenmehl gefüttert. Und siehe: warmgestellt bei 32°C hatten wir schon bald einen sehr lebhaften Teigansatz. Der Geschmackstest war schon positiv, aber um die Lebendigkeit des Teigs zu testen habe ich ihn noch ein  weiteres Mal  verjüngt (also ein zweites Mal einen Löffel mit Teig als Start für einen neuen genommen). Daher ist die Angabe “1. Stufe” im Rezept auch eigentlich nicht richtig, denn diese beiden Verjüngungen sind ja bereits Stufen des Brotteigs, auch wenn vom ersten Vorteig nur ein kleiner Teil verwendet wird. Rein von meinen Abläufen her dauert jede Verjüngung einen Tag, davon etwa einen halben Tag in der warmen Gärbox und einen halben Tag zum “Pausieren” bei ca. 18°C. Der Teig ist dann schon wieder überreif (fällt also in sich zusammen), riecht aber kaum alkoholisch und schmeck kaum sauer (also typisch für einen klassischen Hefeteig).
Fürs Brot hat das wunderbar geklappt. Pizzateig würde ich – auch aufgrund ähnlicher Versuche – so aber dennoch nicht herstellen, für mich passt da keinerlei Säure hin, da ist die etablierte Variante, jeweils frisch mit Reinzuchthefe zu starten, doch immer noch die beste.

Uraltweißbrot bzw. Uraltweizenbrot
(Mengenangaben hier in Gramm)

Gesamtzutaten:
Mehl: 1180
Wasser: 900
Triebmittel: Uralter Pizzateig, aufgefrischt (ca. 300)
TA ca. 177

Rezept:
ASG: 40 (sehr) alter Pizzateig, zweimal aufgefrischt, d.h.:

So sieht der Uraltteig aus, der vier Monate im Kühlschrank stand.

1. Auffrischung:
40 Altteig
150 Wasser
150 Weizen 550
ca. 10 h bei 28°C, danach 14 h bei <18°C

2. Auffrischung:
40 Teig von der 1. Auffrischung (der Rest kommt auf den Kompost)
150 Wasser
150 Weizen VK
ca. 10 h bei 28°C, danach 14 h bei <18°C

1. Stufe Brotteig
340 aufgefrischter Altteig, ca. TA 200
500 Wasser
200 Dinkel 630
300 Weizen-VK frisch gemahlen (also Feinschrot)
ca. 6 h bei 31°C, Teig sollte sehr lebendig sein

2. Stufe
250 Wasser
300 BreadFlour (von bongu, weil’s da war; ansonsten irgendein anderes Weizenmehl*)
230 kleberstarkes Weizenmehl (13 bis 14 g Protein)
20 Flüssigmalz (aktiv)
26 Salz
Stückgare 4 h

In der Maschine kneten. Teig löst sich gerade so von der Schüssel, bleibt aber klebrig.
Teig aus der Maschine holen, zweiteilen oder als Ganzes mit etwas Mehl und schnellen Griffen ohne Rundwirken in ein oder zwei Gärkörbe verbringen. Stückgare ca. 4 Stunden. Sieht nach Vollgare aus, Teiglinge laufen im Ofen zunächst flach, pusten sich dann aber auf dem heißen Backstein mit Schwaden wieder auf. Es entsteht eine recht gleichmäßige, mittel-grobe Porung.
Backen wie immer zu Beginn auf höchste Temperatur (je nach Ofen 250 bis 280 °C), ab der ersten deutlichen Bräunung (nach 15 bis 20 Minuten) auf 210°C, später ggf. auf 180°C.
Backzeit nach Gefühl, bei 2 x 1kg Broten etwa 50 Minuten, bei 1 x 2 kg Brot etwa 60 Minuten, wer nicht mit voller Hitze starten konnte verlängert um ca. 5 Minuten.

Fazit: Ein bisschen alter Brotteig statt frischer Hefe funktioniert wunderbar.

*) Tatsächlich bringt die Verwendung verschiedener Mehle von verschiedenen Mühlen fast immer Pep in den Teig, am besten natürlich bei getrennter Führung. Ich beschreibe das bei anderen Rezepten, hier ist es das Protokoll einer einfachen, schnellen Handhabung.

PS: Ich habe mal verschiedene Haltbarkeits-Experimente durchgeführt. Wesentliche Erkenntnis: Teig ohne jede Hefezugabe (Reinzuchthefe = Bierhefe = Bäckerhefe) vergammelt recht zügig im Kühlschrank, wenn er eben vorher nicht die Gelegenheit hatte, zu etwas Sauerteigähnlichem zu werden. Der hier verwendete “Uralt-Hefeteig” (der wie üblich bei meinem Pizzateig nur etwa 0,7% Frischhefe enthielt) ist also kein zufällig Überlebender gewesen. Das Bisschen Hefe genügt also, um das Mikrobiom in die richtige Richtung zu stupsen.
Die Lagerung im Kühlschrank erfolgte übrigens (ebenfalls wie immer) recht kalt, bei allen Schwankungen (durch verschiedene Verwendungen/ “Befüllungen”) so regulär bei 2 °C – jedenfalls nicht bei energiesparsamen 10 Grad und was so manche Leute im Kühlschrank haben…
Bei der Frischhefe schwöre ich übrigens auf die Bio-Variante, auch wenn sie ungefähr das Fünffache kostet (gibt’s auch in den großen Supermärkten wie EDEKA oder REWE, nicht nur im expliziten Bio-Laden). Sie fühlt sich schon ganz anders an (hat eine andere Farbe, viel dunkler, bröckelt nicht, ist eher weich), und meine Backerfahrungen damit sind durchweg besser als mit der 9-Cent-Hefe.

–> Zur Übersichtsseite Brotbacken

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