Weißfahrende Berber

Unsere Bahn hat ein Herz für arme Seelen, wie man an solch gymnastischen Schlafbänken sieht.

Wenn auf einer Zugfahrt bei einem Bahnhofshalt mehrere Polizisten mit MP an Bord stürmen, hat eine vorbildliche Knipse mit 98 prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Schwarzfahrer ausgemacht.
Die Totalunfähigkeit unserer Bürokratie, dieses Beamtenapparats, den der DBB wohl traurigerweise zurecht das Rückgrat eines funktionierenden Staates nennt, lässt sich immer sehr einfach und brutal im Umgang mit Obdachlosen zeigen. Ja, es gibt Übernachtungsplätze und Sozialarbeiter und allerhand, was ein stolzer Sozialstaat eben so zum Vorzeigen braucht. Aber wehe, der Klient verhält sich nicht so, wie es die Bürokratie gerade erwartet bzw. von ihrem Apparat her vorgesehen hat. Wenn der Penner zum Beispiel schwarz mit der Bahn fährt. Solange es keinen ticketlosen, also für alle frei zugänglichen Nahverkehr gibt, wird er das fast immer tun. Aber allenfalls ein angestellter, dem Tippelbruder optisch ähnlicher Kontrolleur hat die Sozialkompetenz, solche Schwarzfahrer einfach Schwarzfahrer sein zu lassen, weil alles andere die Welt nur noch doofer macht (und solche sozialkompetenten Kontrolleure gibt’s sogar bei der BVG).

Der Routineeingriff hingegen sieht – insbesondere bei meinem Lieblings-Hass-Konzern „Deutsche Bahn“ – wie folgt aus: Feststellung des Schwarzfahrens, kein weiterer Kommentar, Notruf bei der Bahnpolizei (die jetzt Bundespolizei heißt, obwohl es die Bundesbahn angeblich gar nicht mehr gibt, drollig), Sturm des Zuges durch die GSG9 an einem der nächsten Bahnhöfe, mehr oder weniger Krawall, in jedem Fall protzig zur Schau gestellte Ruppigkeit (am liebsten in der Kombi Bad Cop & Worse Cop), Delinquent aus dem Zug schaffen, draußen dann Papierkram, ggf. auf der Wache das ganze Liebesprogramm, bei alkoholisierten Schwarzfahrern Sicherheitsarrest. Weiterfahrt des Zuges mit 5 bis 70 Minuten Verspätung …

Ich habe einige Erfahrung mit Berbern. Sie sind nicht einfach, ja. Wie alle, die vom Schnorren leben müssen, bekommen sie kaum einen wahren Satz heraus, sie leben in irgendeiner Parallelwelt. Natürlich ist ihnen nicht gerade der Geldbeutel mit der Fahrkarte gestohlen worden, die Sparkasse hat sich auch nicht geweigert, vorhandenes Geld vom Konto auszuzahlen, es hat auch nicht ein anderer Bahnmitarbeiter gesagt, das gehe in diesem besonderen Fall schon klar mit ohne Ticket… Aber das spielt doch alles keine Rolle. Was soll der autoritäre Zampano? Er kostet Geld, er bringt den Obdachlosen in weitere Schwierigkeiten (nachts, letzter Zug, irgendwo rausgezerrt zu werden ist halt nur eine mittelprächtig intelligente Idee – aber natürlich Routine), es nervt alle Mitreisenden.
Der Schwachsinn lässt sich regelmäßig auch nicht stoppen, wenn man als unfreiwilliger Zeuge des Geschehens gönnerhaft anbietet, das Ticket (ggf. auch das „erhöhte Beförderungsgeld“) zu zahlen, das stört ja nur die Vollstreckung – was Schutzmann und -frau erprobt barsch vortragen können („zu Ihnen kommen wir gleich auch noch“).

Aber man kann doch solchen Leuten keine Narrenfreiheit einräumen, sagt der Prinzipiensportler. Und ich muss ihm sagen: doch – Narrenfreiheit für hoffnungslose Fälle. Sie zubilligen zu können ist ein kleines Indiz für Hirntätigkeit statt reiner Rückenmarkssteuerung. Was nichts bringt, bringt eben nichts – auch nicht, wenn man es aus Ideologie immer und immer wieder versucht.
(Es ist auch ein absurdes Theater, Falschparkern Tag für Tag „Strafzettel“ auszustellen, wenn doch offenbar der Erziehungseffekt vollständig ausbleibt. Man muss entweder, wenn es wichtig ist, andere Sanktionen versuchen – zum Beispiel die Sprengung solcher Fahrzeuge an Ort und Stelle – oder man sollte kapitulieren. Aber dann müssten die Ordnungsamtleute ja jeden Tag in ihrer Amtsstube Geburtstag oder Jubiläum feiern…)

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