Das Acht-Zehn-Hausbrot

Rezept 8-Korn-10-Saaten-Kastenbrot / Achtzehnerbrot / 18er-Brot

Bei ambitionierten Selbstversorgungs-Bäckern stoßen Kastenbrote meist auf  eine gewisse Verachtung: ‘Kann ja jeder’, heißt das. Teig in eine Kastenform (oder noch abfälliger: “Kuchenform”) packen.

Aber zum einen gibt es genügend Menschen, die froh sind, wenn sie aus einer Kastenform ein leckeres Brot stürzen können, zum anderen sollte man Kunst und Können nicht verwechseln. Das Schöne ist doch: Jeder kann mit einer Backform ein ordentliches Brot schaffen, und viele Parameter eines Kastenbrots bekommt man freigeschoben schlicht nie hin, die Physik (und Biochemie) ist dagegen.

Also: Natürlich punktet man bei seinen potentiellen Verehrern (Familie, Gäste, Alpha-Brotblogger) mehr, wenn man freigeschobene Brote präsentiert, mit netter Verzierung in der Kruste und einigem Weihrauch in der Erzählung, wie es zustandegekommen ist. Jedoch: Vollkornbrote sind da grundsätzlich etwas widerspenstig, und wenn man bei allerhand groben Zutaten (Saaten, Grieß, Flocken, Körner…) auch noch eine feuchte Krume will, wird es wirklich herausfordernd.
Hier daher eine Variation der eigentlich 08/15-Methode, einfach irgendwas zusammenzuwerfen und mit einem leckeren (!) Sauerteigansatz zu vergären und dann zu backen: das Acht-Zehn-Hausbrot, weil es in seiner Standardzusammensetzung aus 8 Getreiden und10 Saaten besteht.

Und deshalb vorweg: Ja, Sie können alles austauschen (was ja ohnehin jeder im Internet lesbare Bäcker direkt beim ersten Versuch macht, Motto: “Rezept: X, Ich: Y”), und es wird auch in den meisten Fällen gut gehen (jedenfalls nach Ihrem Geschmack). Es ist dann nur nicht ‘mein Hausbrot’.
Der Ursprung dieses Rezepts ist die Behauptung gewesen, dass manche Brotzutaten mit normalem, also selbstgezogenem Sauerteig nicht backfähig werden, aber z.B. mit “Sekowa” sehr wohl. Das hatte ich Ende der 1990er-Jahre als  ‘Challenge” akzeptiert und parallel verschiedene Teige mit meinem eigenen Sauerteig und mit Sekowa traktiert. Ergebnis: Alles ließ sich auch mit dem haushaltsüblichen eigenen Sauerteig backen (aber nichts spricht gegen Sekowa, das zuverlässig arbeitet und tatsächlich stets einen etwas milderen Charakter bildet (dazu an anderer Stelle mal mehr)).

Krume Detail

Ziel war es also, eine bunte Mischung an Mehlen, Körnern und Saaten zu einem Brot zusammenzustellen. Und das funktioniert seit mehr als zwei Jahrzehnten wunderbar auch mit einem simplen Löffel ASG. Das folgende Rezept ist daher nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten, mindestens 20 verschiedene Zutaten (inkl. Wasser und Salz) zu einem leckeren Alltagsbrot zu verbacken, und dies mit relativ geringem Aufwand (s.u.) und ohne irgendwelche Bäckerwürden (Sie müssen also nicht Brot-Dokc und erst recht nicht Brot-Professorin sein…). Es lohnt sich allerdings nicht, für einen Versuch all diese Zutaten erst anzuschaffen. Wenn Sie vieles davon nicht im  Haus haben, lassen Sie es. Denn bei den überwiegend recht geringen Mengen, die wir für das Rezept benötigen, müssten Sie schon jede Woche dieses Brot backen, damit Ihnen nicht die ersten Zutaten verderben (oder zumindest erheblich an Geschmack und/ oder Backfähigkeit eingebüßt haben).

Drei Schritte:

  1. Als erstes starten Sie Ihren Sauerteig und lassen parallel dazu die Saaten quellen (ca. 45 Minuten Arbeit; 14 bis 20 Stunden Pause).
  2. Als zweites machen Sie den Teig fertig, geben ihn in Kastenformen und geben ihm Zeit zum Aufgehen (ca. 30 Minuten Arbeit; 1 bis 5 Stunden Pause = Reifezeit/ Gärzeit / Stückgare)
  3. Als drittes backen Sie Ihre Brote (1 Stunde, mehrmals gucken)

Was Sie benötigen:

Die verwendeten Mehle und Saaten stehen im Rezept unten, aber Sie können die Zutaten fast beliebig variieren. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass Sie über einen Sauerteig verfügen (Sauerteigansatz= ST = Anstellgut = ASG). Denn ohne diesen wird das nichts, und von seiner Qualität hängt ganz wesentlich das Ergebnis ab. Alternativ züchten Sie sich eben binnen drei Tagen einen Sekowa-ST und starten dann. Aber versuchen Sie es nicht nur mit ‘Hefe’ (also Bierhefe/ Bäckerhefe/ Reinzuchthefe). Die Teigmenge ist  für vier Standard-Formen mit 25 cm Länge und 8 cm Höhe berechnet, weil diese gemeinsam in meinen Ofen passen.

Zutaten:

8 Getreide (also die Früchte der Süßgräser-Sorten, ggf. bearbeitet)
+ Dinkel
+ Einkorn oder Zweikorn (=Emmer)
+ Gerste
+ Hafer (Saat-Hafer-Mehl oder -Flocken; oder Nackthafer-Körner)
+ Hirse
+ Mais (Grieß oder Mehl)
+ Roggen
+ Weizen

10 Saaten (alle Nicht-Getreide, deren Früchte wir ganz oder geschrotet hinzufügen)
+ Amaranth
+ Buchweizen
+ Chia Samen
+ Haselnuss
+ Kürbiskerne
+ Leinsamen
+ Mohn
+ Quinoa (rot und schwarz)
+ Sesam hell (ungeschält)
+ Soja

Und natürlich die Maus und der Elefant, namentlich: Sauerteigansatz, Wasser, Salz; optional noch Honig und Malzextrakt (Malzsirup).

 

Rezept für ca. 4 kg Teig, gebacken in 4 Formen, TA ca. 170
(Mengenangaben wie immer als Masse (=Gewicht), also in Gramm (bei Bedarf auch als Kilogramm oder Tonnen lesbar…); VK= Vollkornmehl)

1. Schritt
Sauerteig auffrischen oder herstellen. Wir brauchen ein wirklich fittes ASG, da keine weitere Hefe hinzugesetzt wird.

2. Schritt:
Vorteig/ Sauerteig und Saaten

2.1 Saaten einweichen (komplett, ungeschrotet)
(Quinoa, Hirse und Amaranth sollten vor dem  Einweichen im feinen Sieb mit heißem Wasser gespült werden)
100 Hirse
50 Quinoa rot (alternativ: weiß)
50 Quinoa schwarz
80 Leinsamen
25 Sesam hell (3 EL)
100 Amaranth
15 Mohn
80 Grünkern
600 Wasser (inkl. dem an den gespülten Körnern haftenden Wasser gerechnet; wer ein Standard Weck-Tulpenglas besitzt mit 1062 ml: dieses ist – nicht ganz zufällig – mit Körnern und Wasser bis an den obersten Rand gefüllt.)
(Sofern 200 g Nackthafer-Körner hinzukommen statt später Hafermehl oder -flocken: hier +200 Wasser, dafür im Hauptteig 150 weniger)

Die Saaten mit dem Wasser vermengen und für ca. 14 Stunden quellen lassen, im Sommer nach 2 Stunden in den Kühlschrank stellen.

2.2 Sauerteig(Mehle, z.T. Grieß oder Schrot) (Vorteig)
50 Teigansatz (Anstellgut/ Sauerteigansatz, 1-2 Esslöffel)
200 Buchweizen VK
100 Gerste VK
300 RoggenVK
200 Ein- oder Zweikorn (Zweikorn = Emmer)
200 Polenta (Maisgries)
200 Hafer VK (alternativ: Haferflocken VK)
900 bis 1100 Wasser
(VK=Vollkornmehl)

8/10-Hausbrotvorteig mit Saaten

14 Stunden im Gärschrank bei 28°C
Wie üblich wird der Teig aromatischer und triebstärker, wenn Sie die Zutaten nach und nach hinzufügen, also mit jeweils einigen Stunden Abstand. Es ist dann eine Prozedur wie beim “Füttern” von Sauerteig. Dazu gehe ich wie folgt vor: Als erstes wird der Sauerteigansatz (ASG) in einem Teil des Wassers aufgeschlagen, dann kommt die Polenta und ein kleiner Teil des Mehls hinzu. Die Wassermenge sollte so bestimmt werden, dass jeweils ein sehr weicher Teig entsteht, TA 200 oder mehr. Um nicht ständig messen zu müssen, stelle man sich das insgesamt für den Vorteig benötigte Wasser und das Mehlgemisch bereit und nimmt dann jeweils davon nach Gefühl. Ist die erste Stufe aktiv, kommt weiteres Wasser und Mehl hinzu (immer in dieser Reihenfolge). So kann man die Menge über die ca. 14 Stunden strecken, die Abstände werden natürlich immer kürzer, weil der Teig aktiver bzw.  das Verhältnis Bakterien und Hefen zu neuer Nahrung ungünstig wird.
Wenn es zeitlich passt: nach ca. 10 Stunden schon hier die eingeweichten Saaten hinzufügen und mitreifen lassen. Ggf. zuvor etwas abnehmen als ASG fürs nächste Mal.

3. Schritt Teig-Fertigstellung
(Hauptteig)

Sauerteig von oben
eingeweichte Saaten von oben (so noch nicht im Vorteig; es sollte kein Einweichwasser mehr übrig sein)
300 Roggen VK
270 Weizen 405 oder 550er / Typo 0
100 Dinkel VK (alternativ: Ein- oder Zweikorn wie oben)
30 Sojamehl geröstet
20 Chiasamen (alternativ: 10 Flohsamenschalen)
20 Honig
30 Malzextrakt
50 Salz
300 Wasser (sehr weicher Teig); erst zum Schluss, wenn alles gut vermengt ist:
60 Haselnüsse ganz, geröstet
20 Kürbiskerne

Den Hauptteig mit Händen oder Handmixer oder in der Teigmaschine gut vermengen (kneten ist nicht nötig, es darf nur keine Mehlnester mehr geben). Wer den Mixer nutzt: der Teig sollte so weich sein, dass die sich ergebenden Mixer-Spuren langsam (!) wieder verlaufen (oder anders: man sollte keine Figuren aus dem  Teig formen können; oder: in der Kastenform muss sich der Teig gleich mit einem Löffel glatt streichen lassen). Haselnüsse und Kürbiskerne erst ganz zum Schluss hinzugeben.

8/10-Hausbrotteig in Kastenform, mit Sesam abgestreut und mit Wasser besprüht

Teig in gefettete Formen geben, ggf. den Boden vorm Befüllen mit Haferflocken bestreuen. Die Teiglinge mit Wasser besprühen, mit ungeschältem Sesam bestreuen und erneut kräftig besprühen. In der leicht mit Wasser ausgesprühten Gärbox bei 30 bis 32°C reifen lassen. Die Dauer ist wie immer Erfahrungssache, bei der Standard-Kastenform muss der Teig ca. 2 Fingerbreit in die Höhe gegangen sein. Das dauert 1 bis 4 Stunden (Ziel: volle Gare).

Ofen auf 280°C aufheizen. Backzeit etwa eine Stunde, nach ca. 10 Minuten auf 200°C runterdrehen (Oberseite soll braun, aber keinesfalls schwarz sein); ggf. später noch auf 180°C reduzieren. Direkt nach dem Backen aus der Form holen (in eine Hand mit Tuch oder Topflappen stürzen) und richtig herum auf Gitter auskühlen lassen.

Wie alle Roggen(misch)brote schmeckt auch dieses erst völlig ausgekühlt, und es wird in den  folgenden zwei Tagen noch besser, bis dann die zunehmende Austrocknung den Genuss wieder schmälert. Offen gelagert aber trotzdem eine Woche haltbar (was aber allenfalls in Ein-Personen-Haushalten nötig sein sollte…). Da sich das Acht-Zehn-Hausbrot sehr gut zum Toasten eignet, ist das auch die präferierte Auffrischungsmethode bei altem oder aufgetautem Brot: Scheiben leicht mit Wasser einsprühen und in den Toaster geben.
Für mich passt auf dieses Brot alles, süß oder salzig. Sehr zarte Beläge kommen natürlich wegen des kräftigen Brotgeschmacks und seiner körnigen Struktur hier weniger gut zur Geltung als auf einem Weißbrot.

Anmerkungen:

8/10-Hausbrotteig bei voller Gare, bereit für den Ofen

a) Mengenangaben:
Alle Mengenangaben sind wie in Backrezepten üblich nur Hinweise für den ersten Versuch. Danach mag es jeder so abwandeln, wie er mag (und wer etwas geübt ist, wandelt natürlich schon direkt nach dem Lesen ab, wie es den eigenen Geschmacksvorstellungen näher kommt). Ich bin kein Fan des exakten Abwiegens – und mache das deshalb auch kaum. Wenn man Erfahrung im Brotbacken hat, arbeitet man in weiten  Teilen intuitiv: man beobachtet bei jedem Schritt den Teig und entscheidet dann „aus dem Bauch heraus“ (bzw. nach dem Kosten), was es noch in welcher Menge braucht. Die einzige Zutat, bei der das nicht klappt, ist das Salz – und das ist auch noch ausgesprochen wichtig.  Denn den Salzgehalt kann man einem Teig nicht ansehen (aber natürlich mit etwas Erfahrung abschmecken).

Da wir in Formen backen, ist die Wassermenge nicht so kritisch wie bei frei geschobenen Broten. Ich habe dieses “Hausbrot” noch nie “klitschig” bekommen, aber bei zu viel Wasser kann das natürlich passieren.

b) Zutaten ersetzen
Natürlich kann man alle möglichen Zutaten austauschen und die Anteile verändern. (Statistiker werden schnell erkannt haben, dass es gar nicht möglich ist, per Trial-and-Error eine Aussage über die vielen Kombinationsmöglichkeiten zu treffen). Aber auch, wenn dieses Brot über die Zeit aus Experimentierlaune mit den vorhandenen Zutaten entstanden ist: so ganz weit weg von einer sehr guten Mischung ist es wohl nicht mehr. Einzelne Zutaten jetzt zu begründen würde aber wohl albern. Es geht um die Mischung aus Krumenlockerheit, Körnerbiss, Kruste, Geschmacks- und Geruchs-Aromen, das Reifeverhalten und die Wasseraufnahme.
Das tragende Grundsetting ist: Roggenmischbrot mit hohem Körner- und Saatenzusatz.

c) 8-Korn-10-Saaten-Firlefanz
Die klassische 6-Korn-Mischung (z.B. für Müsli) besteht aus Weizen, Roggen, Dinkel, Hafer, Gerste, Hirse. Natürlich gehört der Dinkel zum Weizen, so wie auch Einkorn und Zweikorn. Im Zweifelsfall sprechen wir hier  ohnehin immer von “Sorten”, also züchterischen Spezifikationen.

Zu Mehlen soll irgendwann mal ein eigener Blogeintrag entstehen. Hier daher nur schon mal ganz kurz: wir haben beim Brotbacken immer widerstreitende Interessen, z.B. “Vollwertigkeit” vs. “Fluffigkeit”, “lockere Krume” vs. “gute Haltbarkeit” etc. Auf der einen Seite nehmen wir Spitzenmehle von tollen  Handwerksmühlen, und dann kloppen wir auf der anderen Seite Körner und Grieß (inkl. “frisch selbst Gemahlenes”) hinzu, Vollkornmehl vs. Ciabatta-Mehl etc. Ja, es ist oft ein Ausgleich der Interessen notwendig. In der Kombination (wie oben vorgeschlagen) sollen daher  immer auch die Schwächen einzelner Komponenten gemildert werden.
Will ich nur ein fluffiges Brot, backe ich Baguette (natürlich ohne Vollkorn); will ich nur einen Gesund-Klotz, lasse ich das ausgemahlene Weizenmehl weg. Aber wir backen ja, weil wir etwas Spezielles wollen.

d) Teigreste
Da die Kastenformen nicht zu hoch befüllt werden dürfen, weil der Teig sonst überläuft (und zwar aufgrund seiner weichen Konsistenz tatsächlich über den Rand läuft und nicht einfach in die Höhe wächst), kann es sein, dass ein Rest übrig bleibt. (Zumal, wenn man in den Teig bereits andere Teigreste gegeben hat, was unproblematisch möglich ist.) Bei meinen Tests waren solche Rest auch nach drei Monaten Kühlschranklagerung noch gut verwendbar (geruchlich und geschmacklich einwandfrei, sogar die – natürlich komplett durchgesäuerten – Haselnüsse machen das Spiel mit). Die oberste, graue Schicht kann man ja verwerfen, und zum längeren Lagern im Kühlschrank sollten Teigreste immer möglichst trocken sein, also vorher ggf. noch etwas Mehl, Schrot oder Flocken erhalten.

e) Zeitangaben
Da ich mich selbst ärgere, wenn Rezepte den Zeitaufwand deutlich niedriger angeben als ich es realisieren kann: Es kommt natürlich ganz auf Ihr “Setting” an. Allein das Abwiegen der Saaten kann sich nämlich hinziehen, wenn alles an verschiedenen Orten gelagert wird, irgendein Dippchen erst nachgefüllt werden muss etc. Die Aufräumarbeiten sind auch bei mir nicht mitgerechnet.

f) Sonstiges
Als hilfreich für Kastenformen erweist sich Trennspray. Ob es daran liegt, dass die Backformen, obwohl nicht für Sauerteig ausgelegt, seit Jahren ohne irgendeinen Schaden an der Beschichtung mitmachen, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls sehr praktisch, noch nie ist etwas angebacken und nach dem Backen reicht einmal auswischen. Zu Anfang habe auch ich wie viele mit Backpapier gearbeitet, aber das Zuschneiden für Kastenformen ist nervig und es gibt doch oft irgendwo optisch unschöne Falten im Brot.

(Letztes Update: 2. November 2022)

 

 

 

Schreibe einen Kommentar zu Brotbacken – Blogübersicht – Timo Rieg – Statements Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert