Wahlen sind nicht automatisch Demokratie
Im aktuellen Publik Forum (9/2014) steht ein Zwischenruf von mir zur Abschaffung der Kirchenvorstandswahlen. Das könnte den ein oder anderen wundern, wo ich doch in den letzten 20 Jahren auch publizistisch KV-Wahlen unterstützt habe.
Suspekt sind mir diese Wahlen schon lange – vermutlich seit Studentenzeiten, als ich mit „Stupa-Wahlen“ konfrontiert wurde, die ich auch völlig absurd fand. Es ist eben längst nicht jede formale Wahl auch demokratisch. Und auch bei den politischen Wahlen plädiere ich mit meiner grundsätzlichen Kritik ja nicht fürs Nichtwählen – sondern fürs Ungültigwählen. Allerdings habe ich Verständnis für die Nichtwähler, und gerade Kirchengemeinden sollten sich über deren riesiggroßen Anteil (z.T. über 95 Prozent) Gedanken machen.
Es war mit der Redaktion vereinbart, dass mein Zwischenruf pointiert die Kritik benennt. Deshalb gibt es auch keine konkrete Alternative von mir. Die ansonsten stets präferierte Auslosung von Vertretern passt auf Kirchengemeindeebene jedenfalls nicht, weil man sich kennt und das in der Citizens Jury mögliche herrschaftsfreie Gespräch nicht möglich ist. Außerdem lebt der Jury-Gedanke gerade davon, dass man selbst nicht unmittelbar betroffen ist – es wären also wohl wenn schon denn schon Christen aus anderen Gemeinden auszulosen, um die Entscheidungen in unserer Gemeinde zu treffen.
Wichtig wäre, das Grundproblem zu erkennen – das habe ich kurz benannt. Dann könnte man auch nach anderen Organisation- und Entscheidungsformen suchen, da gibt es sicherlich viele Ideen (ich habe auch welche) – und es müsste nicht überall gleich gestaltet werden. Aber bis dahin ist sicherlich noch ein weiter Weg. In vielen Landeskirchen arrangiert man sich mit dem weiter sinkenden Interesse, indem Anforderungen gesenkt werden: es braucht weniger Kandidaten, Vorstände werden verkleinert, Gemeinden fusionieren… Das alles löst die Probleme nicht, – aber es hält eine überkommene Struktur noch ein wenig länger aufrecht.
Ich würde mir sehr wünschen, dass mein Zwischenruf zur Abschaffung der KV-Wahlen als demokratischer Appell verstanden wird. Die Legitimationsprobleme der evangelischen Kirchen werden sonst kolossal werden.
Update: in Ausgabe 4/2015 von Publik Forum ist dann ein etwas ausführlicher Beitrag von mir zur Demokratisierung der evangelischen Kirche erschienen – “Losen statt Wählen” (wobei sich das Losen auch nur auf die Ebenen Dekanat/ Kirchenkreis und Landeskirche bezieht, nicht auf die Gemeinde)
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