„Diakonie“ wirbt für Politik der GroKo in Berlin

Volksentscheid zum Tempelhofer Feld - die Kirche ist dagegen

Volksentscheid zum Tempelhofer Feld – die Kirche ist dagegen

Ein besonderes „Demokratiedefizit“ großer Verbände, Organisationen bzw. Einrichtungen tritt zutage, wenn sie weitere Verbände, Organisationen und Einrichtungen gründen. Denn haben in Mitgliedsverbänden die Mitglieder meist schon wenig zu sagen, dann sind sie bei Vereinsverbänden oder Institutionenorganisationen ganz draußen. Bekannt ist dies aus der Politik: während Abgeordnete oder Minister noch relativ öffentlich agieren, arbeiten staatliche Firmen meist wenig transparent: eine GmbH für Stadtentwicklung etwa, ein Zweckverband Abfallwirtschaft und was es da alles gibt.

Besonders intransparent wird es dann bei nichtstaatlichen Organisationen (NGO). Beispiel Rundfunkräte: zur „Erdung“ bzw. Sicherung der „Staatsferne“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden Kontrollgremien gebildet, denen die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ angehören sollen. So sitzen dann etwa im Rundfunkrat des WDR neben vielen Politikern Vertreter der Kirchen, Gewerkschaften, Verbraucherzentrale, des Landesjugendrings, eines „Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.“, eines „Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.“ und viele andere mehr. Doch sind diese Vertreter gesellschaftlich relevant? Spiegeln sie in der Summe annähernd „die Gesellschaft“ wieder? Und wo erfährt man eigentlich, wie diese Vertreter zu welchen Positionen kommen, die sie dort ja letztlich als Vertreter von uns Bürgern insgesamt einbringen?

Vermutlich nirgends. Für die Kirchen kann ich das jedenfalls behaupten. Die Medienpolitik, die Kirchenvertreter in einem Rundfunkrat machen, ist niemals Thema einer Synode, dem öffentlich tagenden Beschlussgremium („Kirchenparlament“). Die Positionen werden irgendwo zwischen Dezernaten verhandelt, in der Verwaltung, vielleicht mal in Abstimmung mit dem theologischen Oberhäuptling – aber ganz sicher werden sie nicht an der Basis diskutiert.

Anderes Beispiel: da gründen mehrere Kirchen gemeinsam eine „gemeinnützige Firma“, um Arbeitslose zu beschäftigen und zu qualifizieren. Eine solche Firma hat eine Gesellschafterversammlung, die als Kontrollgremium fungiert. Von den beteiligten Kirchen werden entsprechende Vertreter in diese Gesellschafterversammlung entsendet. Zu dem, was fortan in der Firma passiert, hat „die Kirche“ als Ganzes fortan nichts mehr zu sagen, weil sie (zumindest nach landläufiger Auffassung) dafür nicht zuständig ist: das zuständige Gremium sei ja die Gesellschafterversammlung (und geradezu selbstverständlich sei doch, dass man Betriebsinterna nicht auf einer Synode verhandeln könne). Damit ist aber jeglicher Einfluss der Mitglieder, die eigentlich über eine längere Legitimationskette diese gemeinnützige Firma tragen, ausgeschlossen.

Pro Volksentscheid

Pro Volksentscheid

Drittes Beispiel, weshalb ich das heute überhaupt kurz erwähne: die Diakonie bzw. die Diakonischen Werke. Sie sind ebenfalls eigenständige Einrichtungen, meist inzwischen sehr unabhängig von der evangelischen Kirche, die ihnen nur noch Geld zur Verfügung stellt, damit sie dann „schnell und unbürokratisch“, wie das dann gerne genannt wird, ihre Ziele verfolgen kann. Und so kommt es, dass das „Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V.“ einem „Bündnis Tempelhofer Feld für alle“ beitritt und damit explizit für die Ablehnung des Volksbegehrens zum bebauungsfreien  Erhalt des ehemaligen Flughafengeländes aufruft, gemeinsam mit Clubs wie dem Landesverband der Freien Immobilien- und Wohnungsunternehmen.

Dass die Diakonie „gekauft wirkt“, wenn sie ausdrücklich für einen Gesetzentwurf der großen Koalition von SPD und CDU wirbt, und dass man sich darüber wenig wundert bei einer Institution, die so stark von öffentlichem Geld abhängig ist, das stets Politiker zu bewilligen haben – das ist die eine Sache. Aber dass eine kirchliche Einrichtung Politik macht, ohne dass die Kirchenmitglieder oder wenigstens ihre – wenn auch nicht demokratisch bestellten – Vertreter darauf Einfluss hätten, ohne jede öffentliche Debatte, das ist eine andere Sache, ganz gleich, wie man zum Tempelhofer Feld steht.

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