No Hands – No Brains
80 Prozent aller Infektionskrankheiten werden über die Hände übertragen, sagen Ärzte in immer mehr Krankenhäusern und Praxen und unterlassen daher den Handschlag zur Begrüßung oder Verabschiedung. „No Hands“ heißt die Aktion – die mal wieder erstaunlich unreflektiert in den Medien supportet wird.
Die Hände als Krankheitsüberträger? Sie spielen natürlich eine große Rolle beim Transport von Pathogenen – aber sie sind nicht der Infektionsort (außer bei Hautverletzungen an der Hand). Zu einer Infektion kommt es erst, wenn die kontaminierte Hand in einen Körper eindringt. Der Unterschied ist äußerst bedeutsam, weil er die Schweinerei deutlich macht, die ja bekanntlich zu tausenden Toten jedes Jahr führt: dass nämlich Ärzte mit dreckigen Pfoten „behandeln“. Es ist nicht die kontaminierte Patientenhand, die den Patienten infiziert, sondern die des Arztes an empfänglichen Stellen. Zu vermeiden ist nicht der Handschhlag (weil dann konsequent jede Tätigkeit, jede Berührung von Gegenständen etc. mit der ärztlichen Hand unterbleiben müsste), sondern die Nutzung einer nicht desinfizierten oder steril eingetüteten Hand zur Untersuchung oder Behandlung. Statt einer „no hands“ Kampagne der Ärzte braucht es eine „pack mich nicht an“-Kampagne der Patienten. Sie müssen darauf bestehen, dass wer immer sie außerpartnerschaftlich betatschen will sich vor ihren Augen seine Hände zu desinfizieren bzw. sie in neuen, keimfreien Handschuhen zu versenken hat. (Und vermutlich kann das Betatschen in vielen Fällen ohnehin ganz unterbleiben, aber da ist nochmal eine ganz andere Kundensouveränität gefordert…)
Außerhalb des Medizinbetriebs ist dieses gravierende Missverständnis inzwischen bei fast jedem Bäcker oder Metzger zu beobachten, wo das Personal mit Handschuhen oder speziellen Greiftüten arbeitet, mit diesen aber nicht nur die Ware, sondern auch Geld, Kasse und juckende Nase anfasst.
„No hands“ macht die Opfer zu Tätern. Die Kampagne behauptet: „Du Patient hast eine gefährlich krankmachende Pfote, die ich zu deinem eigenen Schutz mal besser nicht anfasse.“ Die Wahrheit aber ist: „Ich Arzt habe Hände, die dich krank machen und sogar töten können, wenn ich nicht hygienisch arbeite.“
Links dazu:
Augusta-Krankenhaus Bochum bleibt mit „No Hands“ vorerst alleine (WAZ, 11. Mai 2014)
„No Hands“ in Lauterbach und Alsfeld
Das mit den dreckigen Ärzte- bzw. Studentenpfoten steht mir – in erfreulichem Mangel eigener Erfahrungen – unauslöschlich seit dem Film „Ignaz Semmelweis – Arzt der Frauen“ (1989) vor Augen. Semmelweis gilt als einer der Begründer der Desinfektion.
* Ignaz Semmelweis *
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