Jan Delete
+ Immer diese devote Grundgesetzvergötterung!
Rheinische Post: Darf Satire nach wie vor alles?
Christian Ehring: Den Rahmen definiert das Grundgesetz. Der ist in Deutschland zum Glück sehr weit gesteckt. Dafür bin ich sehr dankbar. Es gibt selbst in Europa Länder, in denen Satire weitaus weniger darf. (Quelle)
Das GG ist, wie der Name schon sagt, ein Gesetz, wenn auch eines von Verfassungsrang, aber doch ein simples Menschenwerk. Und wenn es annähernd demokratisch zuginge, hat es keine „Väter und Mütter“, sondern schlicht Wähler oder Befürworter (Volksabstimmung), eine große Mehrheit der Bürger eben, die „kraft [ihrer] verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz“ beschlossen haben.
Den „Rahmen der Satirefreiheit“ sollte also nicht ein vom Himmel gefallenes Grundgesetz definieren, sondern eine demokratische Beratung. Für das Ergebnis muss man dann auch niemandem dankbar sein. Schon gar nicht Mama und Papa.
+ Dieses Land ist kulturell wirklich nicht gefordert, wenn wir nun seit zwei Wochen ein Palaver über die politische Verträglichkeit von Satire erdulden müssen. „Nach dem ziemlich lendenlahmen Erdoğan-Veräppelungs-Song in der ARD“ (Mathias Döpfner) von „extra3“ (NDR) und einem kleinen Experiment mit Deutschland auf dem Sofa von Neo Magazin Royal herrscht Staatsnotstand – oder eben Böhmermahn.
+ Symptomatische Lappalie: Da witzelt ein volksalimentierter Rundfunkredakteur, wie „wir“ einen Strafprozess gegen Jan Böhmermann abwenden könnten (nämlich „wenn wir die diplomatischen Beziehungen [zur Türkei] abbrechen“), und die Rückfrage nach dem „wir“ kontert er nur mit einem Gähnen. Bei „wir sind Weltmeister“ ist es einfach nur albern, aber harmlos. Aber das tägliche politische Wir ist ein echtes Problem, weil eben gar nicht mehr wahrgenommen wird, dass „wir“ da tatsächlich überhaupt nichts zu sagen haben! Um beim Beispiel zu bleiben: Jedes Urteil wird zwar „im Namen des Volkes“ gesprochen, aber das Volk hat niemals die Chance gehabt, sich zu seinen Strafvorstellungen zu äußern (die Vorschriften wurde – natürlich bis heute zigfach überarbeitet und erweitertet – im Jahr 1871 vom ersten deutschen Kaiser erlassen!). Möglicherweise empfinden „wir“ Beleidigung heute gar nicht mehr als Straftat? Es ist gerade diese vermeintlichen Kleinigkeiten, über die in Wahlen nicht abgestimmt wird, und die daher nie „vom Volk“ bestimmt werden.
+ Solange sich Unternehmen noch damit rühmen können, angeblich zur Rettung der Erde TÜV-zertifiziert weniger Energie zu verbrauchen als sie könnten, solange ist Energie wohl noch deutlich zu billig.
+ Was immer der Ex-Pirat und Ex-Berater Christoph Lauer genau von Facebook will: es ist doch immer wieder eine lustige Vorstellung, Angebote im Internet sollten sich nach dem jeweiligen Landesrecht der Abrufer/ Nutzer richten. Aber Gott, was sollen Politiker auch anderes tun als irgendwelche Ge- und Verbote aufstellen.
+ Um ihre Abschaffung als Politikerin gebeten hat Rebecca Harms von den Grünen. In mehreren Interviews vertrat sie die Ansicht, Volksabstimmungen seien nur dann sinnvoll und zulässig, wenn sie im Ergebnis ihre Politik stützen. Jede weitere Zeile zu der Dame ist Verschwendung.
+ Selbst die Berufsbefürworter Direkter Demokratie kommen mit großem „Ja, aber“ um die Ecke, wenn ihnen das Ergebnis nicht passt. So äußern sich denn auch Michael Efler, Ralf-Uwe Beck und Anne Dänner von „Mehr Demokratie e.V.“ sehr vorsichtig zum niederländischen Referendum, bei welchem das Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine mit 62% der Stimmen abgelehnt worden ist. Sie schreiben: „Bei diesem ersten Referendum […] haben offenbar europaskeptische Initiatoren aus ihrer generellen Ablehnung der EU keinen Hehl gemacht, haben das zur Abstimmung stehende Abkommen als Vehikel genutzt und dafür eine Mehrheit gewonnen. Das stimmt nachdenklich.“
Was stimmt daran nachdenklich? Man darf „europaskeptisch“ sein, man darf auch das ganze Konstrukt „Europäische Union“ ablehnen, zumal man dazu sagen darf, nie sein Okay gegeben zu haben, ja niemals gefragt worden zu sein (weshalb ja auch Harms, Asselborn und viele andere davor warnen, das Volk überhaupt irgendwas entscheiden zu lassen).
Aber für Direkte Demokratie zu sein bedeutet eben nicht, für Demokratie zu sein. So hieß es kürzlich in einer Pressemitteilung von „Mehr Demokratie“:
„Angesichts der Wahlerfolge der AfD die Angst vor der direkten Demokratie zu schüren ist abwegig. […] „Die Sorge, dass die direkte Demokratie ausländerfeindliche Tendenzen befördert ist völlig unbegründet: Seit 2014 gab es rund 660 Bürgerbegehren, aber nur 25 davon hatten überhaupt mit Flüchtlingsfragen zu tun“, erklärt Claudine Nierth, Vorstandssprecherin. „Es gab bisher keinen einzigen erfolgreichen Bürgerentscheid gegen eine Flüchtlingsunterkunft.“
Und wenn ein Bürgerentscheid erfolgreich gewesen wäre – dann spräche das gegen Demokratie? (Siehe hierzu auch: „Direkte Demokratie – Mehr als Ja und Nein„).
+ Was würde die Demokratie wohl zur geplanten Abschaffung des 500-EUR-Scheins (als Vorstufe zur Abschaffung des Bargelds insgesamt?) sagen? Zumal das Projekt nach ersten vorsichtigen Schätzungen eine halbe Milliarde (!) Euro kosten wird – für die Vernichtung von Geldscheinen.
Schreibe einen Kommentar