Böllerquarantäne und Vögelverbot

+ Wer im März 2020 blindes Vertrauen in die Exekutive hatte, dem habe ich schon damals empfohlen, sich die Tierseuchenbekämpfung anzuschauen. Das hätte vieles geraderücken können. Denn da tobt der Irrsinn ja schon viel länger und völlig routiniert. Aber unsere angeblich solidarische, tatsächlich vermutlich aber vor allem egoistisch um sich selbst besorgte Bevölkerungsmehrheit ließ sich ja auch nicht irritieren, als Dänemark anordnete, alle 15 bis 17 Millionen in Käfigen vegetierenden Nerze zu töten und zu verbuddeln, weil das für die Pandemiebekämpfung unerlässlich sei. Die Frage, ob es irgendwo eine Grenze gäbe – alle Wildtiere keulen, den brasilianischen Regenwald mir Agent Orange entlauben oder sonst irgendwas – wurde stets mit Schulterzucken und einem mehr oder weniger deutlichen Seufzer quittiert: “Bevor wir (alle) sterben…”
Jedenfalls Tierseuchenbekämpfung ist schon immer irrational. Sie geschieht genau so, wie Behörden eben handeln können, und das ist so ziemlich das Gegenteil von “KI”. Stattdessen braucht es “Schema F”. Möglichst wenig denken, bloß keine Einzelfallenscheidungen, keinesfalls nach Verhältnismäßigkeit fragen.
So ist es nur konsequent, dass der Berliner Zoo nun für einige Wochen geschlossen bleibt, weil es dort einen Fall von Vogelgrippe/ Geflügelpest gab. Dass es bei Tierseuchenbekämpfung niemals um das Tierwohl, sondern ausschließlich um wirtschaftliche Interessen und Herrschsucht geht, ist dabei keine Verschwörungstheorie – die wird es erst, wenn man sie irgendwie auf Menschen überträgt. Die menschliche Gesundheit spielt bei Tiersuchen in der  Regel übrigens auch keine Rolle, allenfalls in der nun reichlich bekannten hypochondrischen Form. (Sehen Sie sich die Europäische und die Afrikanische Schweinepest an, um die hier seit Jahren so ein Aufheben gemacht wird.)

+ Dass Journalismus kein Klärungsinteresse hat, wird an seinen jährlich wiederkehrenden Themen besonders deutlich. Nun haben wir wieder das Gerede vom “Böllerverbot“. Was es dazu zu sagen gibt, ist schnell gesagt, unabhängig von Corona, Klimawandel und sonstigen tagespolitischen Schlagworten. Und es wäre auch schnell erörtert, jedenfalls wenn man das mit der Demokratie ernst nehmen würde: Dann wäre klar, dass es allein um die Frage gehen kann, ob die Feuerwerksfreunde intolerabel intensiv in die Freiheit der Böllerverächter eingreifen. Nach allem, was bislang vorgetragen wurde, ist das nicht der Fall. Man darf das Silvesterfeuerwerk so doof finden wie Sushi zu essen oder Fesselspiele zu betreiben: es geht in einer freien Gesellschaft die anderen schlicht nichts an. Dass von der Knallerei alle anderen mitbetroffen sind, ist zwar richtig, aber in Abwägung aller Umstände, insbesondere bei Berücksichtigung der radikalen Beschränkung auf wenige Stunden im Jahr, nicht weiter der Rede wert.
Aber mir ist natülich klar, dass wir auf das totale Feuerwerksverbot hinsteueren, nachdem es mit der Allzweckwaffe “Pandemiebekämpfung” (kurz: “die Maßnahmen”, erschreckend ähnlich “der Methode”) schon zwei Mal verfügt wurde. Es wird sich wie immer eine kleine Gruppe der intellektuellen Mittelschicht durchsetzen, völlig undemokratisch zwar, aber philosophenköniggleich zum Wohle aller (“eigentlich willst du es doch auch, das Verbot, du kleines Knallerluder”). Denn: Das “Böllerverbot” ist nur eine undemokratische Machtdemonstration.

+ Ja, wir brauchen eine Bedingungsloses Grundeinkommen, weiterhin und nicht trotz, sondern auch wegen des Fachkräftemangels: Mein Beitrag bei Deutschlandfunk Kultur. Die Begründung habe ich bei Telepolis nochmal etwas vertieft: Darum brauchen wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Auszug:

Es braucht ein BGE, weil andere – demokratisch: die Mehrheit, faktisch oft doch eher einige wenige Menschen als “Gesetzgeber” o.ä. – Forderungen aufstellen, ohne deren Erfüllung das Überleben auch mit sehr motivierten eigenen Kräften gar nicht möglich ist. Die demokratische Begründung für ein BGE ist also nicht, dass da einzelne gerne fürs Nichtstun von allen anderen Geld haben wollen, sondern dass alle gemeinsam, vertreten durch ihre Politiker, Forderungen fürs pure Überleben stellen, ohne dass diesen jemand entkommen könnte. Es ist also die herrschende Politik selbst, die ein BGE nötig macht, damit sie ihre Herrschaft überhaupt ausüben kann, ohne das elementarste Menschenrecht zu verletzen.

+ Was für eine Welle wegen der verbotenen Botschaften bei der Fußball-WM in Katar. “One Love” wollten die Kicker tragen, aber die Fifa hat Nein gesagt und die Empörung ist riesig. Wäre dies nur die übliche Selbstgerechtigkeit, mit der sich Menschen eben gerne inszenieren: geschenkt. Aber es ist ja Ausdruck so grandioser Hohlbirnigkeit, dass es beim Hinschauen schmerzt. Und die Frage aufwirft, ob überhaupt noch ein relevanter Teil der Gesellschaft willens ist, Tatsachen zu bewerten anstatt ausschließlich eigene Fiktionen. Denn die Sache ist doch sehr einfach: Nicht erst in Katar verbietet die Fifa als private Fußballfirma politische Statements in ihrem Betrieb, insbesondere auf der Bühne. Das kann man finden, wie man mag, aber es ist für ein globales Buisiness eigentlich recht naheliegend. Denn was immer jemand an politischer Botschaft äußern möchte, es muss da ja Menschen geben, denen diese gilt, die auf den Pfad der Erleuchteten geholt werden sollen, selbst aber einen anderen Weg gehen wollen. Wenn Sport Sport und nicht Politik sein soll, dann muss man das eben trennen. Das vermeintlich kleine, unspektakuläre Zeichen einer regenbogenfarbenen “One-Love”-Parole, das zu tragen der deutschen Mannschaft von der Fifa nun explizit verboten wurde, ist eben nicht klein und unspektakulär – sonst gäbe es kein Aufhebens darum – sondern eine politische Anklage, ein Vorwurf, eine Forderung, so oder so jedenfalls ein politisches Statement, das wie immer in der Politik zwischen richtig und falsch trennen soll, zwischen den Guten und den Bösen, den Wählbaren und den Unwählbaren. Es fällt so unfassbare vielen Menschen schwer, Dinge unabhängig vom eigenen Befinden zu betrachten, sie eben erstmal zu begreifen, bevorm an sie bewertet. Zum Gratismut der Aktivisten ließe sich natürlich auch einiges sagen, Empfehlung an dieser Stelle für Nele Pollatscheks Kommentierung (Süddeutsche: Deutschland ist Weltmeister):

Wenn Coca-Cola, Pfizer und der DFB rainbow capitalism betreiben, ist das keine Solidarität, sondern ein Geschäftsmodell. Protest bedeutet nichts, wo er eh besser gefällt als die Alternative. Und wenn man etwas boykottieren will, dann doch vielleicht mal all die Regenbogen-Firmen, bis sie die Flagge genau da hissen, wo sich wirklich jemand an ihr stört.

+ Dass der Artikel 5 des NATO-Vertrags nicht automatisch einen Kriegseintritt verlangt, ist im Bohei um die im polnischen Przewodów eingeschlagene Raket mal wieder untergegangen. Dabei hätten die Kriegsfanatiker doch nur ein ganz klein wenig querdenken müssen: Sollte eine russische Rakete den Krieg mit Russland bedeuten, dann müsste doch eine ukranische Raket ebenso zwingend den totalen NATO-Krieg gegen die Ukrainie auslösen. Gottseidank Unsinn.

+ “Politik ist geil, unser Klima kippt, die Bürger:innen sind mächtig. Diese Dinge weiß ich. Deswegen schreibe ich darüber.” Schreibt Krautreporter Rico Grimm in seiner ersten Kurzvorstellung. Das klingt geradezu anti-journalistisch. Denn wenn ich aus meinem eigenen Wissensschatz reportiere, bin ich Publizist, vielleicht Essayist, Dichter… Journalisten sollen recherchieren, und das heißt nichts anderes als: Fragen stellen, Antworten suchen. Im zweiten Teil seiner Vorstellung sagt Grimm, der mir immer sympathisch erscheint, zum Glück etwas anderes: “Ich schreibe seit 12 Jahren über die großen Zusammenhänge in Politik, Wirtschaft und Klima. Das mache ich aus ganz egoistischen Gründen: Ich will unsere wunderbare, wilde Welt besser verstehen.” Dann bliebe nur noch zu diskutieren, wie er nach all den Jahren des Besserverstehens zu dem Wissen kommt, “Politik ist geil” und “Bürger:innen sind mächtig”. Die naheligende Antwort wäre natürlich: allein durch Krautreporter. Also müsste ich Krautreporter-Kunde werden. Nun, an den sieben Euro im Monat Mindestbeitrag soll es nicht liegen, aber bisher haben mich die Artikel nicht angefixt. Und dass mir allein ein Medium zur Erleuchtung fehlt bezweifel ich doch sehr. Wenn, dann liegt da bei mir viel mehr im Argen, dass ich nicht erkenne, wie wunderbar Politik für uns ist.

 

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