Von ehrenamtlich Kastrierenden

+ Tierarztkosten Servicetweet (ohne Tweet): Über die unzähligen gesetzlichen Geschäftsmodelle des Medizinbetriebs wird erstaunlich wenig in den Medien berichtet, gerade dafür, dass wir seit März 2020 alle paar Stunden einen Wasserstandsbericht zum katastrophalen Zustand insbesondere der Krankenhäuser erhalten. Ab und an geistern dann mal Millionen- oder gar Milliardenwerte durch die Medien, die zur Rettung von irgendwem durch die Lande wandern, aber letztlich weiß kaum jemand, wie dort die Unsummen verschoben werden. Der humanmedizinische Bereich jedenfalls kostet inzwischen – diese imposante Zahl nenne ich immer wieder gerne – mehr als eine Milliarde Euro pro Tag, mehr als 700.000 Euro pro Minute. (Um  so erstaunlicher finde ich, dass Krankenhausunternehmen es immer  noch chic finden, von drohender oder tatsächlicher Überlastung zu reden und damit ihr komplettes Unvermögen zur Schau zu stellen, aber das Publikum hat immer noch Bedauern übrig.)
Ja, es gibt Leistungen, die objektiv betrachtet nicht besonders gut bezahlt sind, insbesondere in der sogenannten hausärztlichen Versorgung. Andererseits bietet das System so viele schöne “Mitnahmestellen”. Man denke allein an die irrsinnige, völlig paternalistische Verschreibungspflicht für Medikamente. Wer als Privatversicherter die Rechnungen erhält, wird feststellen, dass auch bei einem Dauermedikament wie einem gegen Bluthochdruck mit jedem neuen Rezept eine Beratungsgebühr abgerechnet wird (“auch telefonisch”). Natürlich wird da nie beraten, weil man nie mit einem Arzt spricht, und es ist völlig belanglos, ob die von den Arzthelferinnen vorbereiteten Rezepte im Nachhhinein en bloc unterschrieben werden, bereits blanco unterschrieben bereit liegen (natürlich nicht erlaubt, aber …. zu beobachten) oder künftig  digital autorisiert werden, all sowas ist leicht verdientes Geld, das den Grundumsatz sichert.
Während Humanmediziner keine Medikamente verkaufen dürfen (nur die Gratisabgabe von Gratisproben ist ihnen gestattet), ist das bei Veterinärmedizinern eine feste Einnahmegröße. Denn neben dem Handelsrabatt, der ohnehin bei jedem Präparat besteht, dürfen sie dieselben Zuschläge erheben wie Apotheken: Bei “Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, […] zur Anwendung bei Tieren” zunächst 3% Aufschlag und dann nochmal fix 8,10 EUR. Bei Präparaten, die nur für Tierbehandlungen zugelassen sind, ist es etwas weniger.
Deshalb ist es selbst bei kleinen Medikamenten fast immer günstiger, das Präparat,  so es nicht verschreibungspflichtig ist, sich nicht beim Tierarzt schnell mitgeben zu lassen, sondern es online zu kaufen, selbst wenn man sonst nichts braucht und daher für ein kleines Päckchen Augentropfen o.ä. Versandkosten anfallen. Von der Logistik her ist es natürlich nicht günstig. Aber: die Tierärzte könnten auf die Zuschläge ja auch verzichten,  sie sind nicht verpflichtet, sie zu erheben. Und an den sogenannten Haustieren verdienen sie sich eh eine goldene Nase, wenn man es mal mit den sätzen bei Nutztieren vergleicht (weil schlicht kein Bauer auch nur annähernd das zahlen könnte, was wir für Hund, Katze Maus zu zahlen gewillt sind).
Um beim Beispiel Augenentzündung zu bleiben: Bei drei Terminen mit in der Summe 10 Minuten Arbeitszeit (inklusive Geplänkel) ergeben sich etwa 80 Euro Erlös. Einmal Ziegenbock kastrieren, ca eine Arbeitsstunde (2 Personen á 20 Minuten plus An- und Abreise), hat mich 25 Euro gekostet. Der Hund bringt also einen Stundenlohn von 400 bis 500 Euro ein, die Ziege nur 6% davon (andersherum gesprochen: meine Hunde sind etwa 20 Mal so lukrativ wie meine Ziegen). Am proportionalen Unterschied ändert auch die neue Gebührendordnung ab 22. November 2022 nichts. Die Einnahmen sollen in allen Bereichen steigen, um den Tierarztberuf attraktiv zu machen.

+ Es sei doch sinnvoll und notwendig, heute Schulden für den Klimaschutz zu machen, weil davon auch die künftigen Generationen profitierten, argumentierte Tilo Jung im Gespräch mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Andreas Voßkuhle (siehe: Reformen beim Bundesverfassungsgericht). Voßkuhle wies hingegen darauf hin, dass die Schuldenbremse gerade zum Schutz künftiger Generationen gedacht sei, denn die müssten ja schließlich die Schulden dann irgendwann abbezahlen (oder die Kreditgeber enteignen).
Nun, es ist beides richtig, was sich beide Diskutanten gegenseitig auch ein wenig eingestanden haben, nur hat keiner von beiden die einzig richtige Conclusio daraus gezogen: Natürlich muss heute alles Machbare zur Reduzierung des Klimawandels getan werden, aber es darf gar nicht zu Lasten künfiger Generationen gehen, die unter dem Klimawandel ja ohnehin schon zu leiden haben, egal was die Politik jetzt noch auf die Beine stellt. Wir Heutigen müssen dafür eben umschichten, wir müssen auf allerhand Wohlstand und Annehmlichkeit verzichten, zugunsten der Schadensreduzierung und -behebung. Ja, angesichts der Klimakatastrophe müssen jedenfalls vorübergehend ganz andere Prioritäten gesetzt werden. Wir können nun nicht mit Denkmalschutz beschäftigen, während die Lebensgrundlagen vernichtet werden. Wir brauchen nicht 50 Kochshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen pro Woche. Es ist dann vielleicht einfach kein Geld da für Raumfahrt, Theater, bepflanzte Blumenkübel, Barrierefreiheit an jeder Ladentürschwelle und so weiter und so fort. Da müssen nicht Kleinigkeiten gestrichen werden, es braucht eine völlig andere Prioritätensetzung. Und das nicht nur, weil Schulden eben weiterhin Probleme in die Zukunft verlagern, sondern auch, weil wir derzeit alle Kraft für den Klimaschutz brauchen (der Biodiversität etc. notwendigerweise einschließt). Das ist offenbar selbst bei denen noch nicht angekommen, die sich besonders stark machen für den Wandel, die aber  gleichzeitig hundert  moralische Baustellen betreiben, die sie auch alle wichtig finden (Stichwort: Rasterzöpfe als kulturelle Aneignung). Ja, ja, alles hängt mit allem zusammen, aber Alarm heißt eben Alarm, da brauchen wir eine Probleme-Triage. Da spielen rechts und links keine Rolle, wir müssen alle auf unsere Lieblingsthemen verzichten, und es muss uns allen wehtun, weil wir bisher (und zwar wirklich fast wir alle in den Industrieländern) massiv auf Kosten anderer leben, auch mit Sojamilch, auch mit Fairtrade-Kaffee.

+ Journalisten nerven mit vielem, also natürlich stets in Form von schlechtem Journalismus, aber den produzieren sie auf vielfältige Weisen. Zu den besonders nervigen Eigenschaften gehört die Einfältigkeit. Die äußert sich dann im bekannten Herdentrieb: überall dieselben Themen, die gleichen Beiträge, zum Verwechseln ähnliche Kommentierungen, Scherz und Scherzversuche eingeschlossen. Nenn mir ein Stichwort und ich sage dir, wie das Gros der Journalisten dazu stehen wird, wenn es irgendwie meint dazu stehen zu müssen, es also auf der Agenda ankommt. Derzeit werden die größten Twitter-Fans zu Twitter-Skeptikern und Twitter-Leugnern (Kikeriki). Prophylaktisch schreibt man schon mal seine Mastodon-Adresse in den Twitter-Alias. Bereit, mit der Herde zu neuem Weideland zu ziehen. Bis dahin schimpft man auf Twitter über Twitter bzw. dessen neuen Alleinherrscher Elon Musk, der unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit Hate-Speech zu fördern droht. Beim alternativen Netzwerk Mastodon ist nämlich plötzlich alles besser. Ohne Werbung, ohne Nutzungsgebühren und ganz ohne Reduktion der nicht vorhandenen Mitarbeiter wird dort erfolgreicher für die gute freie Rede gefochten, als es der Milliardär Musk je könnte (der nach schlauer Journalisten-Analyse eigentlich nur viel redet, wenn der Tag lang ist, aber  offenbar nicht viel zustande bringt). Ach ja. Journalisten wären weniger Einfaltspinsel, wenn sie wenigstens ein bisschen ihres Missionseifers durch Erkenntnisinteresse austauschen würden.

+ Atomenergie hätte in einer Demokratie niemals genutzt werden dürfen, das unterstreichen die aktuellen Entwicklungen bei der Endlagersuche nochmal deutlich. Denn es wurden Probleme geschaffen, mit denen sich nachfolgende Generationen gefassen müssen, ohne den zugehörigen Nutzen zu haben. Man kann demokratisch nichts entscheiden, was unveränderbar über den eigenen Einflussbereich hinausreicht. Wo es dennoch gemacht wird (allenthalben), handelt es sich um Herrschaft, um den Entzug von Freiheit anderer. Für “unseren” Atommüll jedenfalls ist weiter keine Kippe in Sicht. Obwohl mehrere Behörden nur damit befasst sind, geht man aktuell davon aus, nicht vor dem Jahr 2046 oder gar 2068 eine Endlagerstätte zu finden. Bis zur Inbetriebnahme vergeht dann weitere Zeit. Die meisten, die mit Atomstrom Geld verdient haben, sind also tot, bis ihr Müll irgendwo untergebracht ist. Und dort soll er dann sicher für eine Million Jahre sein. Das ist, man muss es immer wieder sagen, eine etwa dreimal so große Zeitspanne, als es uns Menschen auf diesem Planeten bisher gibt. Es wurden also Probleme geschaffen, die nach dem dazugehörigen Kenntnisstand eine Million Jahre bestehen bleiben. Für ein paar Jahrzehnte Reibachmachen. Völlig gaga. Und eben völlig undemokratisch. (Und da sind die Schweizer mit ihrer direkten Demokratie nicht besser.)

+ Servicetweet 2: Grünkohl-Einkochen nicht vergessen!

+ Hier ein Klassiker, der genau so auch von Journalisten und Politikern ständig vertreten wird: Es sei ungerecht, wenn auch die Reichen irgendwelche Pauschal-Hilfen bekommen. Kindergeld etwa. Corona-Dingensbumens. Energiekostenzuschuss. Doch wer die VW5-Fragen stellt, wird zu einem ganz anderen Ergebnis kommen: Die Reichen zahlen ja schon den größeren  Teil solcher Transferleistungen. Die Ungleichheit wächst sogar noch, wenn sie dann nicht ebenfalls einen  Anteil bekommen. Ungerecht wäre es ja nur, wenn die Ärmeren die Reichen bezahlen müssten. Aber so läuft es eben nicht. Letztlich zahlen also bei tatsächlicher Gleichverteilung an alle die Reichen nur etwas weniger, als sie ohne die Transferleistung netto zahlen würden. (Quelle: Leserbrief in der SHZ-Zeitungsgruppe)

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