Halloween mit Rentner-Grusel

+ Natürlich kann ich mit Halloween nichts anfangen. Makerade und Kostümierung sind mir schon immer zuwider und um Süßigkeiten bettelnde Kinder sind eine erzieherische Peinlichkeit. Aber: Natürlich soll jeder machen, was er mag, Süßwarenverfütterung an Fremdblagen eingeschlossen. Und deshalb kann ich auch Wilfried Schmickler nicht zustimmen, der Halloween das idiotischste aller Feste (mp3) nennt, weil dafür ein dreistelliger Millionenbetrag aus dem Fenster geworfen werde, “für dämlich grinsende Plastikkürbissköpfe, pothässliche totenschädel-Lichterketten, geschmacklose Kostüme und sonstiges Futter für die Müllverbrennungsanlagen”. Schmickler macht nämlich den  üblichen Fehler, seiner persönlichen Bewertung Allgemeingültigkeit zu unterstellen. Unsere Medien sind voll von diesem Unfug: da wird vom Silvestergeböller bis zur Haustierhaltung alles verteufelt, was die jeweiligen Publizisten gerade für idiotisch halten, wobei idiotisch schlicht meint, dass sie selbst daran kein Vergnügen finden können. Das ist aber nun für die Welt völlig unerheblich.

+ Bei seinem langjährigen Kollegen Tilo Jung sprach Stefan Schulz in Folge 600 über sein Buch “Die Altenrepublik – Wie der demografische  Wandel unsere Zukunft gefährdet”. Es stecken da sicherlich einige interessante Gedanken drin. Aber für reale Politik ist es doch sehr schwierig, wenn der Autor eine deutliche Anhebung des Renteneintrittsalters kategorisch ausschließt als nicht durchsetzbar. Denn demokratisch betrachtet kann es natürlich kein festes Renteneintrittsalter geben, ungeachtet der Lebenserwartungen und des Arbeitsmarktes. Man muss immer wieder darauf hinweisen: Kein Rentner hat für seine Rente eingezahlt, mit den Sozialabgaben werden stets die aktuellen Rentenempfänger, Kranken, Arbeitslosen und Pflegebedürftigen versorgt. Auch wenn Juristen das anders sehen mögen: Wer Rente bekommen möchte, muss das mit denen aushandeln, die sie bezahlen sollen. Das geschieht natürlich nicht im leeren Raum, man kann schon argumentieren, es sei die Gepflogenheit, dass sich die Jüngeren um die Älteren kümmen, so grundsätzlich, und man selbst habe es ja auch so gehalten. Aber es kann keinen Anspruch geben, trotz steigender Lebenserwartung und sinkender Zahl Erwerbstätiger ab einem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt alimentiert zu werden.

+ Ganz anders wäre das freilich mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Das stünde nicht nur allen jederzeit zu; an seiner Finanzierung wären auch alle jederzeit beteiligt, wenigstens potentiell. Zum Thema BGE sei übrigens auf den sehr informativen, monotematischen Blog “Freiheit statt Vollbeschäftigung” von Sascha Liebermann.

+ Die Reaktionen auf Elon Musk’s Twitter-Übernahme sind reichlich bizarr. Einige der Bizzarheiten diskutiert Claudia Wangerin auf Telepolis unter dem schönen Titel: “Twitter, Musk und das wacklige Prinzip des gerechten Königs“. Allerdings enthält der Teaser selbst eine bizarre Wirklichkeitsdarstellung mit den Worten, Musk habe “sich für 44 Milliarden Dollar Meinungsmacht gekauft”. Er hat ja zunächst einmal ein Kommunikationsmedium gekauft. Meinungsmacht kann daraus erst entstehen, wenn auf Twitter publizierte Meinungen (und Tatsachenbehauptungen) meinungsgeprägt gefiltert werden.

+ Trotz größter thematischer Aversionen habe ich die aktuelle Podcastfolge der sogenannten Gegenwart mit Ijoma Mangold und Lars Weisbrod bis zum Ende gehört: Selbst trans ist zu binär. Nachdem ich mich über die Monate an Ijoma Mangold gewöhnt habe, obwohl er mir irgendwie viel zu aufdringlich spricht (wobei ich das natürlich durch meine erhöhte Wiedergabegeschwindigkeit verstärke), sind die Gespräche mit den beiden und Nina Pauer als drittem Host immer inspirierend. So selbst in dieser Ausgabe, in der sie den Roman “Blutbuch” der “nicht binären Erzählinstanz” Kim de l’Horizon besprechen. Mir ist das Thema allerdings auch hernach wurscht, aber die Verrenkungen, die Weisbrod und Mangold eine Stunde lang betreiben, um geschlechtlich lesbare Pronomina zu umgehen, zeigt die ganze Verrücktheit die hinter dem Anspruch steckt, jemand könne entscheiden, wie über ihn gesprochen wird. Man kann und darf Anforderungen an ein gemeinsames Gespräch stellen und tut dies auch in unterschiedlicher Ausprägung immer, aber auf Form und Inhalt der Gespräche Dritter hat man in einer freien Gesellschaft selbstverständlich keinen Gestaltungsanspruch. Diese Position wird im Podcast allerdings nicht einmal als Gedanke gestreift. Die Bezeichnungshoheit wird derzeit sogar von der Wikipedia akzeptiert, die als Faktum behauptet: “Kim de l’Horizon (* 9. Mai 1992 in Ostermundigen bei Bern) ist eine genderfluide nichtbinäre schweizerische Person”.
Das Feuilleton ist sicherlich besonders anfällig für die Vermischung von Fakten und Fiktionen, andererseits aber auch der angestammte journalistische Ort für die Metareflexion genau dazu.

 

 

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