Zur “Ehrenrettung des Querdenkens”
Mein bereits gestern früh gesendeter, aber erst deutlich später auch als Text veröffentlichter Kommentar beim Deutschlandfunk Kultur zum Verb “querdenken” wird, wie erwartet, eifrig in den Sozialen Medien geteilt und kommentiert:
“Demokratie in der Pandemie: Eine Ehrenrettung des Querdenkens”
Zur bisherigen Resonanz auf meine 4 Minuten (Audio) habe ich folgende Anmerkungen.
1. Eine Kritik, die ich nun schon mehrfach dazu auf Twitter gelesen habe, lautet, der Sender selbst habe zu dem beigetragen, was ich “Diskursverengung” genannt habe. Dazu möchte ich als regelmäßiger Autor anmerken: Ja, es finden sich selbstverständlich auch im Programm von Deutschlandfunk Kultur Beispiele für “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus”, sie finden sich daher auch in meiner Fallsammlung. Der Sendeplatz “Politisches Feuilleton“, auf dem auch mein aktueller Beitrag erschienen ist, hatte jedoch die gesamte Zeit über Platz für kritische Kommentare. Es ist an dieser Stelle wirklich falsch, von einem “Umfallen”, “Rückzieher” oder ähnlichem zu sprechen. Ich kann da u.a. auf einen eigenen Beitrag verweisen, am 25. März 2021 unter dem Titel “Die Risiken und Kosten werden ignoriert” erschienen. (Deshalb ist auch der nun mehrfach gelesene Satz “Die ersten Journalisten kommen aus der Deckung” falsch. Ich war nie “in Deckung”. Aber die Corona-Politik war nie mein Hauptthema, ich beschäftige mich vor allem mit Journalismus und Demokratieentwicklung. Und da habe ich, wo es sinnvollerweise auch um die Corona-Politik ging, ebenfalls kritische Fragen gestellt, siehe z.B. meinen Disput mit dem Schriftsteller Thomas Brussig.)
2. Ich habe nicht behauptet, “die” oder alle Kritiker der Corona-Politik hätten mit ihren Positionen Recht gehabt. Ich sage, dass alle Fragen hätten diskutiert werden müssen. Nach meiner Beobachtung gibt es auch unter denen, die sich tatsächlich selbst “Querdenker” nennen, zahlreiche, die diese Fähigkeit auch nur punktuell einsetzen, um nicht zu sagen: interessengeleitet. Bei den einschlägigen Kanälen jedenfalls, die ich so beobachte, sind mir im Laufe der drei Jahre äußerst wenig Korrekturen begegnet, gar Eingeständnisse, mit einer früheren Position falsch gelegen zu haben. Auch dort steht das “Ergebnis des Denkens” oft schon vor dem Denkprozess fest. Aber ich wollte auch keine Anleitung zum Querdenken schreiben, vereinbart war genau das, was im Titel steht.
3. In mehreren Hörer-Mails wird mir vorgeworfen, ich hätte die Protestbewegung “Querdenken” (gemeint ist wohl meist konkret Querdenken 711 mit Michael Ballweg) mit dem sog. “Reichstagssturm” in Verbindung gebracht und damit Propaganda betrieben.
Klipp und klar: Das habe ich nicht. Bitte genau hinhören. Ich habe zitiert, mit welchen Begriffen das Label “Querdenker” heute versehen ist. Und die Wirklichkeit sieht nun mal so aus.
In vier Minuten kann ich aber leider nicht alles unterbringen, was es zum großen Thema zu sagen gäbe. Ich habe jedenfalls frühzeitig darauf hingewiesen, dass der sog. “Reichstagssturm” a) keiner war und b) nichts mit der Großdemonstration des selben Tages zu tun hatte. Eben die falsche Berichterstattung dazu und das so gesponnene falsche Narrativ kritisiere ich in meinem Working Papier Qualitätsdefizite des Corona-Journalismus.
Ansonsten verweise ich auf unsere Sammlung bei Spiegelkritik, die vor allem aus dem ersten Pandemiejahr Beiträge zum Diskurs und Reaktionen darauf gesammelt hat.
Hinweise zu bzw. Angebote von Fällen journalistischer Fehler in der Corona-Berichterstattung nehme ich gerne über das Kontaktformular an, pdf’s o.ä. ggf. später per Mail. (Timo Rieg)
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