Journalismus in der Rassismus-Debatte
Der Polizeitod von George Floyd hat auch Deutschland eine Rassismus-Debatte beschert. Nun kann man natürlich niemandem vorschreiben oder auch nur sinnvoll vorschlagen, für oder gegen was zu protestieren und worüber zu diskutieren sei, aber es dürfte empirisch gut zu belegen sein, dass die Medien diese Themenadaption sofort mitgemacht haben – anstatt den viel näherliegenden, aber auch schwieriger zu bearbeiteten allgemeinen Punkt „Polizeigewalt“ aufzuarbeiten.
Bei der Rassismus-Debatte läuft wie bei Diskriminierung grundsätzlich schnell einiges durcheinander. Der wesentlichste Punkt ist: Wenn es irgendeine Form von genuinem Rassismus gibt, etwa in der derzeit wieder breit vorgetragenen Form, nur „Weiße“ könnten aufgrund ihrer Kolonial- und Unterdrückungsgeschichte rassistisch sein und seien es auch, dann macht die Diskriminierung = Unterscheidung von Menschen als Nichtgleiche ja Sinn, dann ist sie geradezu notwendig. Genau dies aber ist eben die Fehlannahme, die im einen wie im anderen Fall schlicht darauf basiert, sich selbst für etwas Besonderes und einer besonderen Gruppe zugehörig zu fühlen.
Natürlich kann, wer mag, den Begriff „Rassismus“ für bestimmte ethnische oder besser optische Diskriminierungen reservieren (ob das der Kommunikation dient, ist eine andere Frage). Aber die Annahme, Menschen bestimmter Abstammung seien ethisch unverrückbar auf eine bestimmte Art gepolt, ist per se rassistisch.
Dazu verweise ich beispielhaft auf einen Kommentar von Levent Tezcan in der taz und vor allem die Antirassismus-Response dazu.
Ganz sicher sind Doofheit, Arroganz, Selbstverliebtheit, Machtstreben etc. sehr gleich über den Genpool der Menschheit verteilt. Dass Kulturen, Erziehung, persönliche Erfahrungen und viele andere Einflüsse auf unser Wesen wirken, ist auch unbestreitbar. Es wäre eine absolut notwendige Leistung des Journalismus, den „rassistischen Antirassismus“ zu benennen und fortan wie jede andere Ideologie zu behandeln.
Die zweite Aufgabe, die der Journalismus kontinuierlich nicht wahrnimmt: Geschichten von Betroffenen wie jede andere ungeprüfte (und meist unprüfbare) Behauptung zu behandeln, so wie mit aller Verdachtsberichterstattung etc. umgegangen wird, also: Meinungen und Tatsachen sauber auseinanderzuhalten.
Solange der Journalismus diese beiden grundsätzlichen Missstände nicht beseitigt, kann er zur Bekämpfung von Rassismus keine Orientierungsleistung erbringen; stattdessen bietet er PR-Futter für die einen und Echauffierungspotentialfür die anderen Fans.
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