Corona-Autoritäten und die Demokratie

In Krisenzeiten wird stets nach dem starken Führer, der starken Führerin gerufen. Rationalität wird durch Hierarchie ersetzt, fast jeder ist dankbar, wenn er über sich einen Befehlshaber hat, der einem das Entscheiden abnimmt. Dass man nicht mehr diskutiert, wenn es schnell gehen soll, kennt und praktiziert jeder. Doch die Grundregeln für die temporäre Aussetzung der Demokratie sollten in ruhigen Zeiten mit allem Für und Wider verhandelt werden. Die Corona-Krise zeigt überdeutlich, dass unsere Gesellschaft genau darauf verzichtet, sich im Alltagstrott lieber mit Pillepalle und Befindlichkeiten beschäftigt, anstatt die großen Fragen zu klären. Ohne hier im Detail auf die vielen Ge- und Verbote einzugehen, die derzeit im Minutentakt von Behörden erlassen werden, sollen im Folgenden einige Demokratiefragen aufgezeigt werden.

Der Umgang mit Corona zeigt überdeutlich, dass der Krisenfall schlicht nicht vorbereitet war. Zwar gibt es viele Einzelpläne, jeder Fachbereich hat ein paar Handlungsmuster, aber brauchbare Szenarien für ganze Städte, Länder, Staaten gab es nicht.
Natürlich war der konkrete Fall der Corona-Pandemie nicht vorhersehbar – aber dass es zu irgendwelchen Epidemien (oder ähnlichen Ereignissen) kommen kann, war nicht nur klar – genau dafür gibt es eine Vielzahl von Organisationen. (Ich war jahrelang im Katastrophenschutz aktiv und habe immer wieder zu Vorgesetzten gesagt, dass im Ernstfall nicht viel funktionieren wird.)
Doch dass die Exekutive so schlecht vorbereitet ist, sollte man nicht einfach als „Staatsversagen“ kritisieren. Es ist ein Versagen der Demokratie, die den Umgang mit Krisen und Katastrophen nie diskutiert und geplant hat. Dass für solch umfangreichen Erörterungen die Wahl von Parteien kein brauchbarer Prozess sein kann, versteht sich von selbst (ausführlich in einer fünfteiligen Serie auf Telepolis). Bürgerbeteiligung gibt es stets nur zu mehr oder weniger belanglosen Fragen: wenn unverbindlich Meinungen artikuliert werden sollen, wenn es um kleine Einzelprojekte geht (Windkraftanlage, Straßenbau, Schließung eines Schwimmbads etc.). Die großen Fragen werden von Politik und Verwaltung als zu komplex für Beteiligungsverfahren und normale (meint: normal-doofe) Bürger angesehen.
Schauen wir uns einige der Großthemen an, die vom „Corona-Krisenmanagement“ betroffen sind. (Da dieser Blogeintrag eine Notizensammlung ist, ergänze ich Details und ggf. ausführlichere Argumentationen sowie Links unten.)

1. Freiheit

Über die Einschränkung der Freiheit wird in den derzeitigen Debatten besonders schnell und empört hinweggegangen, keineswegs nur in und von den Medien. Tenor: „Heul nicht rum, wenn du mal ein paar Tage zuhause bleiben musst, um das Leben anderer Menschen zu retten.“
Das klingt so bestechend logisch, dass man geneigt ist zu glauben, die Regel gelte immer: Freiheit hat sich dem Gesundheitsschutz anderer (bedingungslos) unterzuordnen.
Aber das ist natürlich nicht so. Die praktizierte Grundregel lautet vielmehr: Jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich, die privaten Bedürfnisse einzelner rechtfertigen keine Freiheitsbeschränkung anderer.
Dass unsere gesamte Lebensweise massive Auswirkungen auf das Leben anderer Menschen hat – hier vor Ort, in anderen Ländern und in zukünftigen Generationen -, ist mehr als bekannt. Und obwohl wir mit dieser unserer Lebensweise aktiv die Gesundheit anderer tangieren, werden immer nur in einzelnen kleinen Bereichen Begrenzungen festgesetzt.
Im Corona-Fall greift allerdings bei normalem Verhalten niemand aktiv in die Gesundheit anderer ein. Wer Angst hat oder wer zu einer sog. Risikogruppe gehört, kann sich selbst isolieren und damit praktisch 100%ig schützen.
Die Freiheit wurde bis zum sog. „Lockdown“ sukzessive eingeschränkt, bis eben zur Anordnung, seine Wohnung nicht zu verlassen. Private Treffen wurden verboten, die innerdeutsche Reisefreiheit aufgehoben. Ausgangssperren kannte man bis dato nur von totalitären Regimen.  Mit einem Mal waren sie im aufgeklärten Deutschland des Jahres 2020 widerspruchslos akzeptiert.
Noch einmal: ich will hier gar nicht die einzelnen Maßnahmen bewerten, es geht mir nur um die Feststellung, dass wir niemals über solch gravierenden Einschränkungen der Freiheit (und damit des Lebens) diskutiert und demokratisch entschieden haben (wobei dann auch noch zu klären bleibt, welche Regelungen überhaupt demokratisch beschlossen werden können – es ist nämlich längst nicht alles legitim, nur weil es eine Mehrheit will, Stichwort Minderheitenschutz). Es behauptet auch niemand aus der Politik, die Bürger selbst hätten ja die nun angewandten Krisenpläne einmal demokratisch beschlossen. Wenig war vorbereitet, nichts diskutiert.
(Auf das Argument, es gehe bei der Beschränkung unserer Freiheit nicht um den Infektionsschutz einzelner, sondern um die Überlastung des Gesundheitssystems durch fahrlässige oder vermeidbare Erkrankungen, gehe ich weiter unten ein.)

In Stichworten, welche Freiheitsbeschränkungen es bisher im Zuge der Corona-Politik schon gab:
– Bewegungsfreiheit bzw. Allgemeine Handlungsfreiheit (Ein- und Ausreiseverbote, keine Reisen in bestimmte Bundesländer, keine Hotelübernachtungen…)
– Versammlungsfreiheit
– Kommunikationsfreiheit (Verbot auch privater Veranstaltungen; Eingriffe in die Internetstruktur, Besuchsverbote sogar in Hospizen)
– Berufsfreiheit und als Teil davon Kunstfreiheit (direkt durch Schließung von Theater, Galerien etc., indirekt durch darin resultierenden Nachfrageausfall, z.B. freie Künstler, Lieferanten, Zulieferer)
– Religionsfreiheit (Verbot von Gottesdiensten als Veranstaltungen, Schließung von Kirchen, Moscheen etc.)
Weitere Freiheitsbeschränkungen bzw. -entziehungen drohen (bzw. können derzeit nur aufgrund von Beispielen in anderen Ländern vermutet werden), z.B. die Aufhebung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Beispiel Israel)

Bundeskanzlerin Merkel sagte: „Das Coronavirus zwingt uns zu Einschränkungen, die unser Land noch nicht erlebt hat.“
Diese Behauptung ist natürlich absoluter Nonsens, denn ein Virus zwingt zu gar nichts, so wie weder Klimakatastrophe noch Hungersnöte je zu irgendetwas gezwungen haben. Dass bestimmte Handlungen sinnvoll wären, ist klar, aber welche das sind, ist eben nicht zwingend vorgegeben – und müsste in einer Demokratie geklärt werden.
Gegen die Notstandsgesetze von 1968 gab es große Straßenproteste. Über den Kriegszustand in Friedenszeiten wurde dann erst gar nicht mehr gesprochen…

2. Der Wert des Lebens

Stets nur bei einzelnen Aspekten wird öffentlich gerne behauptet, der Wert des Lebens sei unermesslich, jegliche Relativierung, jeder Vergleich, jede Verrechnung sei menschenverachtend. Auch das klingt bestechend logisch, nach der Grundlage jeder zivilisatorischen Gesellschaft – doch es ist Quark. Ein auf der Flucht erschossener Randalierer ist nichts wert, Tote und Verletzte nach polizeilichen Verfolgungsfahrten sind Kollateralschaden; selbstverständlich sind wir gegen die Todesstrafe (deren Wiedereinführung in der Türkei alle Beitrittsverhandlungen zur EU beenden würde, während wir bündnistreudoof an der Seite der todesstrafenden USA stehen), aber Bomben gegen mutmaßliche Terroristen und deren Gesinde werden politisch bejubelt. Verkehrstote werden ebenso billigend in Kauf genommen wie verkürzte Lebenserwartung oder unmittelbarer Herzinfarkt infolge staatlicher Vollstreckungen (Stichwort: Finanzamt). Wenns um Geld geht, stehen Ausgaben für Gesundheitswesen oder Pflege neben Ausgaben für Kultur, Sport, Bequemlichkeit, Protz – Lebensschutz ist eben nur eine Aufgabe unter vielen, die sich eine Bevölkerungsgemeinschaft stellt.
Niemand hat Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit sein Leben mit jedem denkbaren Aufwand erhält, und sie tut es auch nicht, nirgends auf der Welt. Anspruch hat jeder, dass ihm nicht unverschuldet das Leben genommen wird.
Doch unsere Gesellschaft hat bisher jede Gelegenheit ungenutzt gelassen, über den konkreten Wert des Lebens zu diskutieren. Natürlich gibt es da Unterschiede, natürlich gibt es Situationen, in denen Überlebenswünsche priorisiert werden müssen. Aber wir sprechen nicht darüber, und es gilt als ganz und gar unethisch zu konstatieren, dass Menschen nunmal sterblich sind – und die Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses im Alter zunimmt. Pro Jahr sterben in Deutschland knapp 1 Millionen Menschen, täglich etwa 2.700.
Update: Ausführlicher dargelegt im Beitrag „Wir retten Menschenleben mit Menschenleben, ohne darüber zu verhandeln„.

3. Kosten und Nutzen, Wirkungen und Nebenwirkungen

Zwar müssen in jedem Gesetzesentwurf Kosten und Nutzen einer Regelung abgeschätzt werden, doch viel Mühe gibt sich Politik nie, ihre negativen Auswirkungen aufzuzählen. Im Corona-Management deutet nichts darauf hin, dass es solche Abwägungen überhaupt gibt – von warmen Worten abgesehen. Welchen Schaden können all die plötzlich erlassenen Verbote anrichten? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten, welche sind möglich? Und bei welcher Verrechnung würde der Souverän aussteigen, bei welchem Risiko für eine ungünstige Kosten-Nutzen-Bilanz auf den Nutzen verzichten? Um mal ein paar Kosten bzw. potentielle Nebenwirkungen zu benennen:
– Starker wirtschaftlicher Verlust, daraus resultierend höhere Verschuldung (bei Familien, Unternehmen, Staat), damit Einschränkung der Handlungsfreiheit in der Zukunft; auch die derzeit allüberall versprochenen Wirtschaftshilfen (Kurzarbeit, Bürgeschaften etc.) müssen ja am Ende immer von den Bürgern selbst bezahlt werden – nur wie bei jedem Kredit eben nicht sofort, sondern später. [Update: im ersten Schwung spricht die Bundesregierung von 150 Milliarden Euro, die sie verteilen will; auch die Länder legen „Hilfsprogramme“ auf, Bayern z.B. hat als erstes 10 Milliarden angekündigt, dann auf 20 Milliarden verdoppelt; Update 2: Insgesamt liegen die unmittelbaren Kosten der Politik wohl bei mindestens einer Billion Euro – mehr zu der unbekannten Größe unten bei „Kosten“; ZEIT.de am 15. Mai 2020; in einer Publikation vom 15. April berechnete eine IFO-Arbeitsgruppe, „dass eine einzige Woche Verlängerung [des Shutdowns] zusätzliche Kosten in Höhe von 25 bis 57 Mrd. Euro und damit einen Rückgang des BIP-Wachstums von 0,7 bis 1,6 Prozentpunkte verursacht“. ]
– Schlechtere Versorgung von Hilfsbedürftigen, ggf. mit nachfolgender Krankheit und Tod (Tafeln und Obdachlosenstellen geschlossen, „Kundenkontakte“ reduziert oder komplett ausgesetzt)
– Probleme in landwirtschaftlicher Tierhaltung, -transport, -schlachtung und -vermarktung (Personalmangel, Absatzrückgang, unterbrochene Distributionsketten etc.) [Update: LKW mit lebenden Tieren stehen vor den Grenzen im Stau mit bestialischen Auswirkungen; taz, Tagesspiegel]
– Lebensmittelknappheit (Folgeprobleme durch Schließungen, prophylaktischer Quarantäne und sonstige Eingriffe; dass Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sagt, es gebe keine Probleme, ist ja nur eine politische Parole und keine unumstößliche Tatsache, wo jede Menge Menschen nicht mehr arbeiten (dürfen) wird es Veränderungen zum Status quo ante geben.
– Persönliche (Beziehungs-)Krisen aufgrund des verordneten Ausnahmezustands (Beschäftigungslosigkeit, Einkommensminderung, fehlende Tätigkeitsroutinen, Isolation etc.)
– dauerhafte gesellschaftliche Veränderungen (neue Befugnisse der Behörden werden kaum zurückgenommen werden; Wandel des Zusammenlebens, des Kaufverhaltens, der Infrastruktur)
– Zunahme der Staatsautorität (Bundeswehr im Inneren, Notverordnungen)

Dass über all die Folgen und Nebenwirkungen nicht VOR den staatlichen Anordnungen gesprochen wurde, zeigt die Planlosigkeit von Politik und Verwaltung.

4. Vertrauen in die Institutionen

Die mit dem üblichen Hang zur Selbstinszenierung gepaarte Planlosigkeit der Politik erschüttert berechtigterweise das Vertrauen in die Institutionen. Trotz einer medialen Dauerpenetration mit Corona-Infos kann sich kaum ein Bürger ein für eigene Entscheidungen taugendes Bild zusammenpuzzeln. Die Entwicklung der letzten Wochen, Vorbilder im Ausland und das autoritäre Auftreten von Politikern und Fachleuten lassen vernünftigerweise jeden zweifeln, ob in wenigen Stunden noch gilt, was jetzt gerade gesagt wird. Die Machthaber bemühen sich nicht, ihren ja auch nur auf die Schnelle von Beratern angeeigneten Kenntnis- und Meinungsstand als Prozess zu vermitteln.
Bsp: Bundesministerium für Gesundheit erklärt zu „Fake News“, was tatsächlich schon in Vorbereitung war und kurz darauf angeordnet wurde.

5. Rolle von Nachrichten und Kunst

Die Berichterstattung zum Thema Corona ist in allergrößten Teilen derzeit Propaganda. Denn es werden en masse Meinungen als Fakten ausgegeben. Eine Meinung ist dadurch gekennzeichnet, dass man ihr widersprechen kann (und in einer Demokratie auch darf). Und eine Meinung kann für den Journalismus  nur dann relevant sein, wenn auch die Gegenpositionen dazu veröffentlicht werden, wenn es einen Meinungsstreit gibt, wenn die Rezipienten die Möglichkeit haben, sich eine eigene Meinung zu bilden und der Journalismus ihnen dabei hilft. Doch anstatt routinemäßig jeden staatlichen Eingriff in die Bürgerrechte zu hinterfragen, nach den Gegenmeinungen zu suchen, Argumente zu recherchieren, verlautbaren die Medien, was „Experten“ und Herrschende sagen.
Und selbst  die Kunst verzichtet auf die andere Perspektive (oder bekommt sie in den Verbreitungsmedien nicht unter).

Ergänzungen, Links

zu 1. Freiheit:

– Ausgangssperren haben in einer Demokratie grundsätzlich nichts zu suchen – sie gehören in Diktaturen. Dass Nachbarländer wie Frankreich schon häufiger davon Gebrauch gemacht haben, belegt nicht ihre Legitimität, sondern absolutistische Strukturen.
Dass selbst ein Kevin Kühnert wie selbstverständlich von bevorstehenden Ausgangssperren spricht, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.

– „Verantwortung für die Schwachen übernehmen“. Es ist eine schön paternalistische Aufladung des Befehls, zuhause zu bleiben: Ihr tut es für die Gefährdeten, die Chronisch-Kranken, die Alten. Das alte Masernimpfungs-Argument zieht hier aber nicht: Wer zu einer Risikogruppe zählt oder einfach nur große Sorge vor einer Ansteckung hat, soll sich halt in Quarantäne begeben – und das Infektionsrisiko ist null. Wer jetzt in einem Straßencafe sitzt, handelt nicht fahrlässig gegenüber irgendwelchen Schutzlosen („Bin ich denen so egal„), sondern schlicht selbstbestimmt. Die einzige Argumentationskette, die man anführen kann, ist: wer sich selbst leichtfertig in Gefahr bringt und dann erkrankt, belastet das Gesundheitssystem unnötig und behindert damit evtl. die Versorgung anderer. Ja, das stimmt – theoretisch. Nur zum einen trifft es einfach faktisch auf die meisten dieser „sorglos“ die Anweisungen der Politik Ignorierenden nicht zu, zum anderen wird diese Argumentation sonst auch empört zurückgewiesen. Denn sonst müsste man ja u.a. sagen: Wer Ski fährt und sich dabei verletzt, belastet das Gesundheitssystem fahrlässig… Bisher gehört es aber zur Vereinbarung in den solidarischen Versicherungen, nicht nach der persönlichen „Schuld“ zu fragen.

+ Viele Beschneidungen grundlegender Freiheitsrechte kann man nur als Geistesstörung auffassen, weil sie auch bei gutwilligster Interpretation sinnfrei sind und allenfalls der eigenen Machtbekundung dienen können. Schon grundsätzlich ist keine Freiheitsbeschränkung zum Eigenschutz des Betroffenen demokratisch möglich – außer, man entmündigt ihn, erklärt ihn also zum Geistesgestörten (auch wenn der Begriff nicht mehr üblich ist, geht es doch exakt darum, denn ansonsten darf jeder mit seinem Leben und seiner Gesundheit machen, was er mag). Wenn dann aber z.B. der Besuch von Sterbenden untersagt wird oder auf bestimmte Zeiten oder Dauern limitiert wird, fehlt selbst für Paternalismus jede Grundlage (Bsp. Solingen,

Zu 3. Kosten und Nutzen, Wirkungen und Nebenwirkungen

Landwirtschaft: Keine Betriebshelfer bei vorsorglich angeordneter Corona-Quarantäne (top-agrar)
Mieter sollen Kündigungsschutz bekommen, wenn ihnen aufgrund der politischen Anordnungen die Einnahmen fehlen. Wie sie später die Schulden abbauen sollen, verrät die Politik freilich nicht.

Zu 4. Vertrauen in Institutionen / Macht

Österreichisches Beispiel für die Unglaubwürdigkeit der Politik (via Florian Klenk)

+ Krankschreibung per Telefon möglich, aber die Bescheinigung vom Arzt braucht es natürlich weiterhin, sonst würde man diese Autorität ja überspringen:

Zu 5. Nachrichten / Kunst / Medien / Journalismus

+ Christoph  Marischka auf Telepolis:

Im Kontext der aktuellen SARS-Pandemie jedoch scheinen die Medien jedes Interesse an Kontroverse verloren zu haben. So wie sie noch vor wenigen Tagen kritiklos die Beschwichtigungen des Bundesgesundheitsministers und die zurückhaltenden Einschätzungen des Robert-Koch-Institutes wiedergegeben haben, so unwidersprochen verbreiten sie jetzt die alarmierenden Stellungnahmen derselben Akteure. Haben sie vor wenigen Wochen noch im Einklang mit den politischen Entscheidungsträger*innen hierzulande die „drastischen“ Maßnahmen des chinesischen „Regimes“ kritisiert, berichten sie nun kritiklos über die Grenzschließungen in Europa und jeden Schritt, der uns weiter in Richtung Ausnahmezustand befördert.

Einzelne Beiträge

(z.T. schon oben im Text verlinkt)

+ Der Corona-Gehorsam (Telepolis, 13. März 2020)
+ Die Medien-Epidimie (Prof. Michael Meyen, Medienrealität 2020 auf Hypotheses, 18. März 2020)
+ Journalismus im Krankenstand (Telepolis, 26. März 2020)
+ Zur Wissenschaftshörigkeit: „Kniefall vor der Wissenschaft“ (Prof. Michael Meyen, 26. März 2020); der SZ-Kommentar, auf den er sich bezieht, ist nur im Abo zu haben: Die Rolle der Wissenschaftler (Patrick Illinger, Süddeutsche Zeitung, 26. März 2020, Seite 4)
+ Denn wir wissen nicht, was wir tun? Von Philipp von Becker (Freitag.de, 21. April 2020)

Einzelne Korrekturen und Ergänzungen

+ Der Faktenfinder der ARD erklärte politische Propaganda zur Wahrheitsverkündung – und musste dann später kleinlaut ergänzen, dass doch alles ganz anders kam.

+ Politologe Herfried Münkler sieht in einem Spiegel-Interview bei all den Notverordnungen keine Gefahr für die Demokratie „bei uns“ – bei den „autoritären Regierungsschefs“ (Trump, Bolsonaro, Putin, Erdogan) hingegen schon. Warum die Ausgangssperre des einen gefährlich, die des anderen hingegen nicht gefährlich sein soll, verrät er nicht. Stattdessen beschwichtigt Münkler: „In der jetzigen Situation wird ja gar nicht mit Gesetzen gearbeitet, schon gar nicht mit Eingriffen ins Grundgesetz. Im Moment nutzen die Regierungen vor allem administrative Möglichkeiten.“ Das ist allerdings falsch und war auch nie zu erwarten, vielmehr werden im Eiltempo Gesetze gemacht, siehe Bundesjustizministerium. Das SPD-Blatt „vorwärts“ schreibt: „Es wird in dieser Sitzungswoche weitgehend um Gesetze gehen, die sich um die Bewältigung der Corona-Krise drehen.“ U.a. soll binnen weniger Minuten ein Milliarden-Nachtragshaushalt beschlossen werden (pdf: Deutscher Bundestag – Tagesordnung und Sitzungsverlauf Corona-Gesetze). Und auch eine Grundgesetzänderung war zum Zeitpunkt des Interviews schon längst in der Diskussion. Zudem sind „administrative Maßnahmen“ demokratisch weitaus bedenklicher, weil es hier regelmäßig gar keine öffentliche Debatte gibt, sondern Anordnungen quasi beliebig aus dem Regentenhut gezaubert werden können.

Und noch ein paar Mini-Kommentare zum Corona-Wahnsinn

+ Dass die Kirchen bereits in vorauseilendem Gehorsam ihre Gottesdienste abgesagt hatten, bevor sie darauf verzichteten, dem Staat Widerstand zu bieten, sogar intern einzelnen Pfarrern nachgehen, die noch kleine Andachten feiern, zeigt die allen Insidern bekannte Geistlosigkeit der Ober-Kleriker. Sie strahlen nicht im geringsten Glauben aus, dafür um so mehr wie eh und je Machtstreben (wobei die Ober-Kleriker gar keine Pfaffen mehr sein müssen, z.T.  liegt das Verwaltungskommando für die Behörde auch bei Juristen oder Finanzwirtschaftlern). Im preußischen Berlin hat der evangelische Friedhofsverband alle Friedhöfe vorübergehend komplett geschlossen, später wieder für einige Stunden am Nachmittag geöffnet, weil: Lärm auf Friedhöfen dürfen nur Rasenmäher, Freischneider und Motorsägen machen, nicht aber lebende Besucher. Den Kirchen widme ich natürlich ganz besonders meine Kritik an der Eigentumsreligion: es ist ein anachronistisches Dogma, große Flächen Berlins gehörten einem Privatclub, der über das als „Grundeigentum“ bezeichnete Gebiet herrschen kann wie ein kleiner König. In Deutschland sind die Kirchen so staatshörig, dass es dem Domradio eine lange Meldung wert war, in den USA einen Bischof gefunden zu haben, der Gottesdienstverbote nicht so toll findet.

+ Der immer wieder als besonders intellektuell verehrte Armin Nassehi (u.a. Herausgeber des Kursbuchs) kommentierte den menschenvollen Münchner Viktualienmarkt auf Twitter: „Am Ende feiert hier die moderne Version des autoritären Charakters: Das Richtige wird nur getan, wenn es ausdrücklich befohlen wird.“ Aber natürlich blieb auch er jede Erklärung schuldig, woher er die Weisheit nimmt, das einzig richtige und für alle Menschen verbindliche Handeln zu kennen. Es ist ja gerade Volkssport, jede Menschenansammlung als terroristischen Akt gegen die Volksgesundheit zu sehen und die Beteiligten irgendwo zu melden. Tatsächlich zeugt dieses Blockwarttum nur von dem bekannten, erprobten und grausam fatalen Gehorsam vor allem derjenigen, die in einer Gesellschaft etwas gelten wollen – und ganz beiläufig natürlich davon, Übertragung und Pathogenität des Virus immer noch nicht verstanden zu haben (wofür es leider gerade unter Journalisten sehr viele Beispiele gibt, besonders eindrücklich war die offenbar nicht scherzhafte Bemerkung des Radiomoderators Jörg Wagner, im Studio mit Handschuhen zu arbeiten –mp3).

(Erstfassung vom 18. März 2020, erweitert)

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