Nebenwirkungen der Corona-Politik

Auch nach einem Jahr Dauer-Corona auf allen Kanälen und nachfolgend auch in allen Hirnwindungen wird in fast allen Diskussionen über die Pandemie-Politik ein Dualismus behauptet: Leben auf der einen, Geld und Freiheit auf der anderen Seite. Viele Politiker haben von Anfang an die Parole ausgegeben, man werde zur Corona-Bekämpfung alles tun, was möglich ist, expliziter Zusatz: koste es, was es wolle. Das ist allerdings schon auf diesem Niveau eine Milchmädchenrechnung. Denn ohne Wirtschaft kann man sich auch keine Medizin leisten (worauf u.a. Bernd Raffelhüschen früh aufmerksam gemacht hat).

Die moralische Empörung, “man kann doch nicht Menschenleben mit Geld aufrechnen“, war schon immer bigott, denn dieses Aufrechnen passiert jeden Tag und überall. Andernfalls müssten alle Ressourcen in die (auf Medizin fokussierte) Gesundheitsfürsorge gesteckt werden: kein Cent für Theater, Parks, Repräsentationsbauten. Und wegen der Gleichheit menschlichen Lebens müssten all diese Ressourcen natürlich global eingesetzt werden.
Es soll hier überhaupt nicht diskutiert werden, wie sinnvoll einzelnen Maßnahmen der Politik (und ggf. auch der Wirtschaft, privater Institutionen etc.) zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind oder waren (zur Qualität der journalistischen Berichterstattung siehe eine Übersicht bei Spiegelkritik). Stattdessen sollen Stichworte zu Nebenwirkungen der Maßnahmen gesammelt werden. Denn über diese wurde am Anfang überhaupt nicht, später nur vereinzelt und unsystematisch gesprochen. Für die Beurteilung von Kosten und Nutzen, Sinn und Unsinn wäre aber eine genaue Kenntnis der (möglichen) Nebenwirkungen, der ungewollten Folgen, der Kollateralschäden zwingend notwendig.

Die Liste enthält naheliegende Vermutungen und in den Medien kommunizierte Hinweise zu Nebenwirkungen der Corona-Politik, die im Wesentlichen besteht aus Kontaktbeschränkungen und Kontaktverboten (Lockdown), Massentestungen und nun allmählich Impfungen. Nur wenn eine verlässliche Quelle vorliegt, ist bei den genannten Nebenwirkungen ein Hinweis auf den möglichen Umfang angegeben, im übrigen sind sie nicht quantifiziert.

Übersicht:
1. Grundlegendes: Finanzen (Steuern), Großversuch u.a.
2. Gesundheit
3. Wirtschaft
4. Gesellschaft
5. Herrschaft / Demokratie
6. Umwelt/ Natur
7. Weitere Anmerkungen

1. Grundlegendes

Die zusammengetragenen (möglichen) Nebenwirkungen der Anti-Corona-Maßnahmen könnten und müssten in ihrer Bedeutung finanziell, gesundheitlich und sozial jeweils für Einzelne und/ oder die Allgemeinheit abgeschätzt werden. Wie das alles zu “verrechnen” ist, kann hier offen bleiben. Denn es geht nur darum zu zeigen, wie viele Probleme mit einer Problembekämpfung verursacht werden – und dass eben genau darüber kaum informiert wird, vor allem der Journalismus diese Folgeprobleme überwiegend ausblendet

Grundlegendes: Finanzen
Alle Gesetze, Verordnungen und Anordnungen der Politik zur Corona-Bekämpfung kosten Geld (durch Ausgaben oder Einnahmerückgänge). Damit beanspruchen sie Ressourcen, die nicht mehr für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. Die konkreten Nebenwirkungen hängen dann von den weiteren politischen Entscheidungen ab. Bislang wird alles über Schulden finanziert, womit die finanziellen Nebenwirkungen in die Zukunft verschoben werden.

Grundlegendes: Großversuch
Auch wenn einzelne Maßnahmen nicht besonders spektakulär wirken, gab es bisher nichts Vergleichbares. Es handelt sich damit um ein Großexperiment, dessen Ausgang in vielen Punkten offen ist.

Grundlegendes: Alles über einen Kamm
Viele “Maßnahmen” kann man als Nebenwirkungen strikter Regelungen sehen. Da Behörden mit klaren Kategorien arbeiten und wenig Herz für Ausnahmen haben, entstehen z.T. Ge- und Verbote, die mit Sicherheit nichts zur Pandemiebekämpfung beitragen, wenn z.B. das Angeln oder Golfspielen verboten wurde. Besonders relevante Nebenwirkungen dieser Sorte können aber nachfolgend trotzdem einzeln erwähnt werden.

Grundlegendes: Demokratiefefizite
Das Hauptproblem der Nebenwirkungen ist, dass sie nicht demokratisch legitimiert wurden. Es gab keine Debatte darum und erst recht keine Entscheidungsmöglichkeit des demokratischen Souveräns, also der (wahlberechtigten) Bevölkerung. Alle Nebenwirkungen wurden unausgesprochen in Kauf genommen, und das bedeutet: Es wurden Menschen Lasten zugunsten eines höheren Ziel auferlegt, über deren Berechtigung und Umfang nicht verhandelt wurde.

Dabei ist es daher aus demokratischer Sicht belanglos, ob Einzelne / Meinungsführer diese Nebenwirkungen begrüßen. Man darf sich (hämisch) freuen, wenn den Grundeigentumsspekulanten das Geschäft in Teilen verhagelt wurde. Deshalb gehören solche Nebenwirkungen dennoch in die folgende Liste.

Wie so oft wurde die wichtigste aller Verteilungsfragen nicht erörtert: wer will was von wem wofür? Politiker tun so, als lägen die Milliarden, die sie mit ihrer Corona-Politik umverteilen, zur beliebigen Verwendung bereit. Das ist natürlich nicht der Fall. Wer die Zeche zu zahlen hat und wer von der Corona-Politik profitiert hat dürften in den meisten Fällen verschiedene sein – ohne dass sie das miteinander ausgehandelt haben. (Stichworte: Schulden, Rente, Ausbildung)

 

2. Gesundheit

2.1 Gesundheit allgemein

+ Viele Unterstützungsmaßnahmen (für Arme, Kranke, Obdachlose, Süchtige etc.) wurden eingeschränkt oder eingestellt (Lebensmittelausgabe der “Tafeln” z.B.)

+Masken: sie reduzieren nicht nur die Ausbreitung von Corona-Viren, sondern von allen Keimen. Darunter kann das Immunsystem leiden.

+ Einnahmeverluste können die Gesundheit schädigen (schlechtere Versorgung, geringere Zufriedenheit, psychischer Stress etc.). Bsp. freie Journalisten (pdf)

+ Sportverbote schwächen Konstitution, können chronische Leiden verstärken/ wieder erstarken lassen (z.B. Volkskrankheit Rückenschmerzen).

+ Der von der Politik ausgehende und von den Medien verbreitete Daueralarm verursacht Stress bis hin zu Existenzängsten.

+ Besuchsverbote sind verantwortlich dafür, dass Angehörige ohne Begleitung und letzte Aussprachen sterben, Familienmitglieder und Freunde werden sogar von Beerdigungen ausgeschlossen, was zu psychischen Spätfolgen führen kann.

+ Verlust an Lebensqualität

+ Verminderte Lebensfreude vermindert die Lebenserwartung

+ Aus Angst vor einer Corona-Infektion verzichten Menschen auf medizinische Behandlung (als Nebenwirkung der Corona-Politik ist es im Zusammenhang mit der Regierungs-Kommunikation bzw. PR zu sehen. Beispiel Schlaganfall.

+ Kontaktbeschränkungen erschweren oder unterbinden Aus- und Fortbildung, womit auch das Gesundheits- und Rettungswesen geschwächt wird. So durften im Lockdown Freiwillige Feuerwehren keine Gruppenübungen mehr durchführen. Wenn solche Übungen/ Praxisausbildungen aber zu anderen Zeiten sinnvoll und notwendig waren, dann hat ihr Untersagung in der Pandemie Schäden, Leiden und ggf. auch Tode begünstigt.

+ Übermäßige “Hygiene” verursacht u.a. Hautschäden.

+ Lockdown kann familiäre Gewalt verstärken. (Bericht BR; Erfahrung Weißer Ring)

–> Wie schon Raffelhüschens erste Rechnung kommen  auch heutige Nachbetrachtungen  zum Ergebnis, dass der Schaden den Nutzen überwogen hat, z.B. (Pre-Print): Are Lockdowns Effective in Managing Pandemics? (Antwort: “by using the known connection between health and wealth, we estimate that lockdowns may claim 20 times more life years than they save.”)

2.2 Gesundheit Kinder und Jugendliche

+ Die Schließung von Schulen und Kitas mindert die Bildung, woraus sich schlechtere Berufsperspektiven etc. ergeben. Mit schlechterer Bildung sinkt auch die Lebenserwartung. Beispiel Sprachentwicklung. Bildungsrückstand nach ersten Studien ca. 6 Monate.

+Kontaktverbote verhindern soziales Lernen. Spielen ist kein “Kinderkram”, sondern ein sehr wichtiges Entwicklungsprogramm. Hier kommt es zu Verzögerungen und Störungen.

+ Kontaktbeschränkungen beeinträchtigen die Entwicklung des Immunsystems.

+ Kontaktbeschränkungen verzögern oder stören die Persönlichkeitsentwicklung, verhindern Erlebnisse in sensiblen Phasen.

+ Störungen der Bindungsentwicklung durch Kontaktverbote für Väter auf Neugeborenenstationen.

+ Kleinkinder sehen kaum noch Gesichter, sondern nur noch Masken mit Augen darüber.

+ Bildungskluft wird größer

+ Lockdown verschlechtert Sehvermögen  von Kindern und fördert Kurzsichtigkeit.

+ Psychische Erkrankungen haben durch Corona-Maßnahmen zugenommen.

2.3 Gesundheit Alte

+ Intensivmedizin statt Paleativmedizin.

+ Besuchsverbote führen zu Einsamkeit, die als Gesundheitsrisiko weit unterschätzt wird (Spiegel).

+ In Pflegeheimen kommen die Bewohner aufgrund der Besuchsverbote meist gar nicht mehr nach draußen. Damit fehlt ihnen neben Sozialkontakten und Bewegung u.a. auch Vitamin D.

+ Kontaktverbote, insbesondere in Heimen und Krankenhäusern, verstärken Demenz oder lösen sie aus.

2.4 Gesundheitsbelastungen durch Behandlung/ Vorsorge 

+ Beatmung wird in vielen Fällen zum Tod von Covid-Patienten geführt haben. (siehe Prof. Luciano Gattinoni, Klinik für Anästhesiologie; Monitor-Bericht April 2020; Kritik Thomas Voshaar)

2.5 globale gesundheitliche Auswirkungen

+ UNICEF schätzt, dass zusätzlich 150 Millionen Kinder in Armut geraten. Einen Teil dazu trägt auch die Politik einzelner Länder wie Deutschland bei (durch Veränderungen im Handel, in der Entwicklungshilfe, der Prioritätensetzung etc.)

3. Wirtschaft

+ Der Lockdown hat den Online-Handel weiter wachsen lassen; diese Veränderung dürfte Corona überdauern und damit die Wirtschaftsstrukturen nachhaltig verändern.

+ Ladengeschäfte verschwinden, Innenstädte verändern sich damit, ohne dass es dafür bisher Konzepte gibt (und ohne, dass diese Veränderungen gewollt waren).

+ Viele Angestellte, Selbstständige und Unternehmen fallen durch das Hilferaster; damit ist der Wettbewerb verzerrt

+ Umsatzeinbrüche führen zu (globalen) Firmenkäufen

+ Wirtschaftseinbruch reduziert Forschung,  Entwicklung und Innovation und damit auch Gesundheit und Lebenserwartung. (siehe: Berechnung Raffelhüschen)

4. Gesellschaft

+ Grundrechte werden eingeschränkt oder komplett suspendiert, konkret: Freizügigkeit (Reisefreiheit); Berufsfreiheit; Versammlungsfreiheit; Kommunikationsfreiheit; Religionsfreiheit. Zu diesem großen und schwerwiegenden Komplex siehe ausführlich die Kolumnen-Sammlung von Heribert Pranl: “Not und Gebot. Grundrechte in Quarantäne” (C.H. Beck Verlag 2021). Zu weiteren verfassungsrechtlichen Überlegungen siehe die Auswahlliste.

+ Verhaltensweisen ändern sich dauerhaft (kein Handschlag mehr; Nähe wird als unangemessen, gefährlich empfunden); Social Distancing hinterlässt soziale Defizite.

+ “Blockwartmentalität”: Weil man ja nur das Gute will, wird angeschwärzt, wer (mutmaßlich) gegen Corona-Regeln verstößt. Misstrauen wächst.

+ Das Befolgen auch sinnloser Regeln wird eingeübt (“Corona-Gehorsam“).

+ Stärkere Lagerbildung (“Spaltung der Gesellschaft”), weniger Dialog/ Debattenkultur (Vernünftige vs. Leugner; Systemrelevante vs. Irrelevante etc.).

+ Vereine/ Vereinsaktivitäten werden dauerhaft geschwächt, Gruppenstrukturen durch das lang anhaltende Versammlungsverbot zerstört.

+ Universitäten verlieren ihre kulturelle Bedeutung und werden zu Online-Schulen

+ Kultur fällt fast komplett aus (von Theater bis Festival), nicht nur für Besucher/ Teilnehmer, sondern auch in der Entwicklung.

+ Durch die totale Fokussierung auf das eine Thema Pandemie sind andere wichtige Themen aus der Debatte und der Bearbeitung verschwunden, mit jeweils wieder diversen (möglichen) Folgewirkungen.

+ Ehrenamtliches Engagement ist stark reduziert und betrifft alle Bereiche: von der Alten- und Krankenbetreuung (z.B. Verbot der “grünen Damen”, im Krankenhaus Dienst zu tun) über die Flüchtlingshilfe bis zum Tier- und Naturschutz.

+ Die Schulden der Corona-Politik haben noch unbekannte Auswirkungen auf das Leben in kommenden Jahren und Jahrzehnten, u.a. bei der Rentenfinanzierung.

+ Stark verzerrte, irrationale Risikoeinschätzung (vor allem durch Berichterstattung).

+ Beschädigte Debattenkultur (u.a. durch Verwechslung von Fakten und Meinungen über Fakten sowie Einteilung in zulässige und unzulässige Meinungen).

+ Verschärfte Digitalisierung und Datensammlung unter Vorwand der Gesundheitspolitik.

5. Herrschaft & Demokratie

+ Während der Corona-Pandemie entwickelte, erprobte und etablierte Überwachungsmethoden werden bleiben, Bewegungs- und Kontaktkontrollen werden Alltag.

+ Stärkung einer paternalistischen Politik, Schwächung der Selbstbestimmung Selbstverantwortung.

+ Privatsphäre nimmt ab (“Unverletzlichkeit der Wohnung”

+ Grundlegende Veränderungen (Maßnahmen und Nebenwirkungen) erfolgen ohne Bürgerkonsultation, ohne gesellschaftliche Debatten, sondern werden von Lobbygruppen vorangetrieben.

+ Heutige Politiker (überwiegend aus der Exekutive, also ohne Wählermandat) entscheiden zu ihren Gunsten (aktuelle Corona-Bekämpfung), aber zu Lasten der jungen und ggf. künftigen Generationenn.

+ Fachleute mutieren de facto zu Regierenden.

+ Regelungen werden zunehmend von der Exekutive selbst gesetzt statt von der Legislativen. (siehe: Corona-Recht wird Dauerrecht)

+ Mindestens indirekter Impfzwang (Biopolitik)

6. Umwelt

+ Lockdowns haben positive wie negative Auswirkungen auf die Umwelt. Reduzierter Flugverkehr bspw. fällt positiv ins Gewicht. Stärkerere motorisierter Individualverkehr statt ÖPNV (aus Angst vor Ansteckungen) fällt negativ ins Gewicht. Es dürften vor allem viele zunächst klein und belanglos erscheinende Veränderungen sein, die Folgen haben. Beispiel Universitäten:

+ Die Universitäten sind seit über einem Jahr praktisch geschlossen (siehe Twitter-Thread). Damit hat sich das Leben von knapp 3 Millionen Studenten aus den Universitäten in die eigene Butze verlagert. Dennoch müssen in den Großorganisationen Universitäten beispielsweise die Wasserleitungen benutzt werden, weil sich sonst Keime bilden und Ablagerungen von Mineralien die Leitungen verstopfen können.

7. Weitere Anmerkungen

+ Zur fehlenden Debatte um Nebenwirkungen gibt es einen vierminütigen Radiobeitrag von mir beim Deutschlandfunk Kultur (Deutschlandradio): Die Risiken und Kosten werden ignoriert.

+ Eine Auswahl an Studien, Kontroversen und Kommentaren zur journalistischen Leistung in der Pandemie gibt es unter “Medienkritik zum Corona-Journalismus“. Zur Verantwortung der Medien für Debattenverengungen siehe “Meinungsfreiheit verlangt journalistisches Gehör“. Die Defizite im Journalismus haben sicher auch Auswirkungen auf die Corona-Politik, die Politik-Wahrnehmung und schließlich die Nebenwirkungen der Pandemie-Bekämpfung. Die  zentrale Kritik betrifft einseitige Information (Recherche und Publikation) sowie einseitige Kommentierung. Sofern Studien dies in nennenswertem Umfang bestätigen, dürfte dies natürlich auch erheblichen Einfluss auf die Gesamtsituation haben, etwas die oben schon erwähnte “gesellschaftliche Spaltung”, die neue Unmöglichkeit kontroverser Debatten, die Delegitimierung von Positionen im Diskurs und damit Machtverschiebungen. Das würde hier aber deutlich zu weit führen, daher nur der Verweis auf die Sammlung bei Spiegelkritik.

+ Zur Idee, die Politik hätte “mit noch härterert Hand durchregieren müssen” siehe das Streitgespräch mit Schriftsteller Thomas Brussig.

(Update: 04.08.2022)

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert