Corona-Kosten bei den Reichsten einzutreiben ist zu billig

Was in der Corona-Politik grandios schief gelaufen ist, lässt sich in einen Fragesatz zusammenfassen, der zu jedweder Politik in einer Demokratie zu beantworten ist:

Wer will was von wem wofür?

Das gilt es zu klären, das muss ausgehandelt werden – und darauf wurde im Angesicht der Pandemie wohl weltweit verzichtet. Das Argument: Es ist klar und alternativlos, was zu tun ist, deshalb gibt es auch nichts zu diskutieren. Es soll quasi nicht um politische Meinungen gehen, um den Willen der einzelnen Teilnehmer der Demokratie, sondern um Fakten, um “Wissenschaft”.

Dass eine solche Annahme selbst für Verfechter der berühmten Idee vom weisen Philosophenkönig Quatsch ist, hat die Planlosigkeit aller Politik wohl mehr als deutlich gezeigt. Politiker selbst sprachen ständig vom “Fahren auf Sicht” und ähnlichem.

Was immer die Politik wollte (es waren über die Zeit sehr verschiedene Ziele): Sie will irgendwas von irgendwem für irgendwas. Leider konnte sie keinen der drei elementaren Punkte klar und konsistent benennen.

Springen wir in der Zeit nach heute, um es an einem sehr eindrücklichen Problem zu zeigen: Die Staatsverschuldung ist in Rekordtempo gewachsen, wie hoch sie genau ist weiß niemand (das Ganze ist ja auch noch lange nicht abgeschlossen), denn noch laufen viele Programme, die Steuern sind noch nicht gezahlt und einen Überblick über nur verschobene Ausgabenposten, die künftige Haushalte stärker belasten werden, hat auch niemand. Im Podcast Y-Politik gehen sie von 300 Milliarden Euro neuen Schulden aus, die Belastungen dürften insgesamt aber bei weit über einer Billion Euro liegen.

Weil niemand mit solch großen Zahlen etwas anfangen kann: Der “normale” Bundeshaushalt belief sich 2019 auf 350 Milliarden Euro. Schon die Schätzung von Dezember 2020 geht also davon aus, dass die Coronapolitik so viel kostet wie allen bundesstaatlichen Leistungen sonst in vier Jahren zur Verfügung stehen. Das heißt auch: die Corona-Schutzmaßnahmen  sind mindestens so viel wert,  wie alle Sozial-, Kultur- und Entwicklungsleistungen Deutschlands in vier Jahren zusammen.

Die Frage, wer will Milliarden oder gar Billionen Euro zu welchen Zwecken von welchen Leuten, wurde schlicht nicht gestellt, sondern in die Zukunft verschoben.

Und dann kommen die Ideen, u.a. – wenig überraschend –: eine Vermögensabgabe (die steht immer im Raum, wenn das Geld bei den Politikern nicht reicht). Überrascht hat mich allein, dass ich diese Idee als eine Empfehlung in einem jungen Demokratie-Podcast gehört habe: bei Y-Politik haben Tanja Hille und Vincent Venus das kürzlich empfohlen. Es sei gerecht, solidarisch, notwendig, schmerzfrei (die Reichen würden nur ein bisschen weniger reich) und vor allem gut für die junge Generation, die sonst die Schulden (vielleicht) irgendwann in der Zukunft abzahlen muss. Mit keinem Wort hat Y-Politik die demokratischen Einwände gegen eine solche Idee diskutiert. Eben die Frage: wer will was von wem wofür? Diese Frage muss man stellen, auch wenn es einem noch so sympathisch erscheint, den Super-Reichen etwas wegzunehmen (was ihnen ohnehin nicht legitimerweise zusteht). Denn:

1. Geld auszugeben, ohne demokratisch geklärt zu haben, woher es kommt, ja ohne es demokratisch legitim zu haben, ist per se unredlich und undemokratisch. Denn es lastet anderen eine Bürde auf und schränkt andere massiv in ihrem Gestaltungsraum ein, die an der Entscheidung nicht beteiligt waren, zum großen bis größten Teil von ihr nicht profitieren.

Nein, das war nicht alternativlos. Denn das Nächstliegende wäre gewesen, im Rahmen des Budgets neue Prioritäten zu setzen (das wir mal als demokratisch legitimiert setzen, auch wenn es da, siehe unten, viel zu diskutieren gäbe). Alle Kulturförderung weg, Digitalisierung verschieben, Bundeswehr auflösen oder sonst etwas. Das klingt gaga? Aber wie kann man etwas ausgeben oder nutzen, das man nicht hat? Man muss es sich entweder borgen (und dazu gehört zu klären, wann und wie es zurückgegeben wird) oder man muss es klauen. Letzteres ist die uralte Praxis. Ob man andere Länder überfällt, kolonialisiert oder “nur” mit seinem klimaschädlichen Lebensstil im Meer versinken lässt, es ist immer dasselbe egoistische Prinzip und “Wer will was von wem wozu” ist leicht zu beantworten: Herrscher wollen etwas von Außenstehenden, die für ihre Macht irrelevant sind, damit es ihnen und ihrem Machterhaltungsapparat gut oder besser geht. Das ist als biologisches Prinzip natürlich Gang und Gäbe – passte nur gar nicht zur Idee der Demokratie, die dazu da sein soll, im Rahmen der Organisation des Gemeinwesens allen die größtmögliche Freiheit zu belassen, in der Annahme, dass damit die größte Zufriedenheit bzw. geringste Unzufriedenheit zu erzeugen ist. Und weil das auf der Idee von Bürgerrechten fußt, die anders nicht zu verwirklichen sind. (Menschen als Rädchen im Getriebe sind keine Bürger.)

Schon bei diesem simpelsten aller Punkte hat die Politik auf die Einhaltung demokratischer Regeln gepfiffen (und der Journalismus hat es im Wesentlichen kritiklos bis jubelnd hingenommen oder sogar noch mehr davon gefordert).

2. Dass die Super-Reichen zu reich und mächtig sind, mag sein, mag man so sehen. Aber das ist demokratisch nicht zu ändern, weil zufällig gerade die Politik einen Wahnsinns-Zauber rund um Corona gemacht hat. Spielregeln werden vor dem Spiel festgelegt. So wie Straftaten auch nur geahndet werden können, wenn sie schon bei der Begehung strafbar waren (und nicht erst hinterher als Regelbruch definiert wurden), so ist auch in anderen Feldern der gesellschaftlichen Verständigung Verlässlichkeit zu fordern.

3. Es ist in unserer Demokratie gänzlich unklar, wie wir allgemein mit Minderheitenschutz umgehen. Der ist essentiell, um keine Willkürherrschaft wechselnder Mehrheiten zu bekommen, doch er wird in öffentlichen Reden stets nur für ein paar Sonderfälle benannt (wie in Art. 3 GG). Um das alte Beispiel in Erinnerung zu rufen: wenn drei Wölfe und ein Schaf abstimmen, was es zu essen gibt, ist das keine Demokratie (weil eine Mehrheit die Freiheit einer Minderheit beschneidet, ohne dass diese dafür Anlass gegeben hat). Das führe ich ein anderes Mal weiter aus, aber es ist ein elementarer Punkt.

4. Der besondere Punkt, die junge Generation dürfe nicht auf den Kosten sitzen bleiben, ist zwar richtig, allerdings mit einem großen Aber: einen erheblichen Anteil wird sie schon übernehmen müssen, schließlich hat sie die Maßnahmen ganz überwiegend begrüßt, also selbst verlangt, anstatt gegen sie zu protestieren. Wer selbst in der (moralischen oder tatsächlichen) Zahlungspflicht steht, sollte zunächst mal benennen, was er zu geben gedenkt, bevor man sich bei anderen bedient. Dass dazu kein Wort bei Y-Politik kam, ist leider typisch. Auch die Politik hat (siehe oben) ja keinen einzigen Vorschlag gemacht, auf was zugunsten der Corona-Schutzmaßnahmen zu verzichten sei.

Links:
Podcyst Y-Politik
Podcast ?Macht:Los! zur aleatorischen Demokratie

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