Aiwangers Flugblatt, Schüsse ins Dunkel und Berliner Föderalismus
+ Berlin pocht auf den Länderfinanzausgleich als grundgesetzlich verbrieften Teil des Föderalismus. Die Klage der bayerischen Landesregierung kommentiert der Tagesspiegel-Checkpoint mit den Worten:
>Auch spannend: An fünf der zwölf Landesregierungen, die sich gegen Bayern zusammengeschlossen haben, ist die CDU beteiligt. Vielleicht tut’s ja auch erstmal eine Klausurtagung der Union? Gerne auch in Karlsruhe.<
Und übersieht dabei, dass solche Parteiabsprachen den Föderalismus geradezu verhöhnten. Denn die Unionspartei CSU soll die bayerischen Interessen vertreten, anstatt sie aus Großparteiinteressen zu verhökern. Über den Umfang der Umverteilung zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Art. 72 GG) können die Landespolitiker dann ja nach Herzen streiten. Demokratisch notwendig wäre dabei natürlich wie immer zu klären: „Wer will was von wem wozu wie warum?“ Das müssten die Betroffenen miteinander verhandeln. Konkret müssen also die „Nehmer“ sagen, wie viel Geld sie von (welchen) Menschen in anderen Bundesländern zu welchem Zweck im Rahmen welcher Umverteilung aus welchem Grunde haben möchten.
+ Eines der wichtigsten Politischen Feuilletons der letzten Zeit: Verfassungsschutz abschaffen.
+ Wenn Behörden gerade mal nicht damit beschäftigt sind, uns Bürgern direkt Probleme zu machen, dann behelligen sie uns mit denen, die sie sich selbst schaffen (und für deren „Lösung“ sie wenigstens unser Geld benötigen). Ein kleiner Dauerbrenner seit Jahren: fehlende „Trinkwasserspender“. Denn Glas oder Mund direkt unter die überall verbauten Trinkwasserspender namens „Wasserhahn“ zu halten, ist nicht mehr zumutbar. Man muss Geräte kaufen oder mieten, die das nahezu kostenlos bereitstehende Leitungswasser „filtern […] sodass es unbedenklich getrunken werden kann„. (Siehe beispielhaft politische Investigation in Berlin, pdf)
+ Was wir von unseren Politikern in der Corona-Pandemie erlebt haben (und möglicherweise wieder erleben werden) ist auch im Umgang mit dem russischen Krieg in der Ukraine zu beobachten: es wird ins Blaue oder Dunkle hinein geschossen, und wird dabei nicht getroffen, was man zu treffen erhoffte, sind natürlich die Zielobjekte schuld, die dreist außerhalb der Schusslinie sind. Ab dem 24. Februar 2022 waren sich die meisten Politiker und Medien einig, mit wirtschaftlichen Sanktionen Russland bezwingen zu können. Kritische Stimmen bekamen kaum Gehör (was zuvor der „Corona-Leugner“ war hieß nun „Putin-Versteher“ oder schlicht „russische Propaganda“). Ganz wie bei den Corona-Maßnahmen verzichteten Politik und Medien völlig auf genaue Prognosen (‚wenn wir X tun, wird Y passieren‘). Es genügte offenbar der Glaube, das Richtige zu tun (entgegen aller empirischen Evidenz). Wenn sich dann aber irgendwann unbestreitbar zeigt, was die verordnete Politik tatsächlich gebracht hat (und was nicht), war nicht etwa die Politik falsch – sondern die Realität. Bei Corona war es „das Virus“, das ständig nicht machte, was die Politik von ihm erwartete. Und bei „Putin“ bzw. „dem Russen“ ist es genauso, selten schöner auf den Punkt gebracht als von Außenministerin Annalena Baerbock:
>Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen [gegen Russland] wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen<<
Das konnte aber natürlich vorher niemand wissen, schon gar nicht eine Außenministerin.
+ Die Medien sprechen seit Freitag (25.08.2023) von einem „Fall Aiwanger„. Den mag es geben. Aber interessanter als eine solche Einzelfallgeschichte ist doch der Mechanismus im Journalismus-Business: „Medienkritik zur Berichterstattung über Aiwangers Flugblatt aus Jugendtagen“ (SpKr).
+ Zum Working-Paper „Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus“ gibt es ein ausführliches Interview von Bastian Barucker, auf das hier noch nicht hingewiesen wurde.
+ Lesehinweis: Warnhinweise vor Otto-Sketchen und Ruhrort-Tatort;
+ Aus dem Archiv: 15 Jahre alt, aber für mich selbst erstaunlich aktuell: „Demokratie im journalistischen Paralleluniversum“ – Kritik einer SPIEGEL-Reihe.
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