Erkenntnis-Desinteresse
+ Nicht nur im Journalismus sehe ich bei vielen Beiträgen ein Erkenntnis-Desinteresse, auch in der Forschung. Das zeigt sich regelmäßig an den Vorannahmen, die schon normativ festlegen, was es doch erst zu erforschen gilt. Dies war in der Corona-Pandemie weit verbreitet (beispielhaft sei auf den viel zu wenig verrissenen Bestseller „Gekränkte Freiheit“ verwiesen). Gerade begegnet einem das Problem, wenn Extremismusforscher Protest nicht nüchtern analysieren, sondern Ratschläge erteilen, wie er zu gestalten sei. So richtet Prof. Matthias Quent „an die Bauern […] den Appell, sich nicht nur verbal abzugrenzen. Man könne gegen die Ampel-Regierung demonstrieren und gleichzeitig ein Zeichen gegen rechts setzen – beispielsweise durch Schriftzüge wie ‚Nazis raus‘ oder Regenbogensymbole auf Plakaten.“ (Quelle)
Dass mit solchen Äußerungen jede (weitere) Forschung in diesem Feld beschädigt wird, weil diese nicht mehr nur teilnehmend beobachtet (was schon herausfordernd genug ist), sondern mit eigener Agenda mitgestaltet, was sie eigentlich beschreiben sollte, stellt einen gravierenden Methodenfehler dar. Getrieben scheint mir auch dies von Erkenntnis-Desinteresse, genauer: dem Glauben, bereits alles Notwendige zu wissen.
+ Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich den aus nicht verbrauchten Corona-Nothilfen gebildeten Schattenhaushalt des Bundes in Höhe von 60 Milliarden Euro als verfassungswidrig verworfen. Eine beruhigende Entscheidung, denn die Rechtswidrigkeit war allzu offensichtlich (siehe Pressemitteilung mit Entscheidungsgründen). Zwei Dinge verwundern mich an der folgenden Presseberichterstattung. Zum einen, wie zurückhaltend das Urteil kommentiert wird, heißt es doch nichts anderes, als dass ohne Klage der Union die Regierung illegal über dieses gigantische Budget verfügt hätte. Wenn man dazu noch in Kontrast stellt, für welche bescheidenen Steuersünden oder sonstige Geld-Vergehen (selbst ohne persönliche Vorteilsnahme) es regelmäßig großes Entsetzen gibt und den Ruf nach harten Strafen, ist das völlig unverhältnismäßig. Es ist auch nicht im Ansatz mit dem guten Anliegen Klimaschutz zu rechtfertigen. Denn damit sind wir beim zweiten Punkt: Der medial verbreiteten Ratlosigkeit, wie denn nun diese wichtige Transformationsaufgabe erfüllt werden soll, ohne das rechtswidrige 60-Milliarden-Euro-Budget (z.B. die Süddeutsche Zeitung zur Bahn-Sanierung). Tja, wie wohl? So, wie die immer angeführte „schwäbische Hausfrau“: mit Prioritätensetzung. Es ist einfach nur irre, wenn Politiker zwar inzwischen parteiübergreifend die Klimakrise anerkennen (abgesehen natürlich von der AfD), gleichzeitig aber meinen, es müsse alles weiterlaufen wie bisher. Angesichts der globalen Umweltveränderung durch den Menschen (von der die Erderwärmung ja nur ein Teil ist und nicht einmal der dramatischste), müssen eben wenigstens alle Nice-to-heave-Dinge erstmal gestrichen werden, und auch bei allem anderen wird man eben priorisieren müssen. Wenn ich mich in den Kommunen umschaue, fällte mir jede Menge auf, über das wir sprechen müssten. Aber da hat die Politik natürlich über all die Jahrzehnte eine fürchterliche Anspruchshaltung geschaffen, weil sie nie – oder nur ganz selten – sagt, von wem sie eigentlich etwas nehmen will, um konkret dieses und jenes damit zu tun. Es wird einfach gemacht, im Zweifelsfall eben über Schulden (also Belastung künftiger Generationen oder Enteignung heutiger durch Inflation oder Steuererhöhungen).
+ Der große Fahrplanwechsel bei der Bahn war Anlass, nach fünf Jahren mal wieder ein Mecker-Update zu schreiben.
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