Was darf die Satire? Was kann die Satire!

Die Frage wird gerade mal wieder rauf und runter gestellt (und natürlich stets mit – relativierten – Tucholsky-Zitaten garniert): Was darf die Satire?

Die Frage ist – wiewohl von Tucholsky selbst beantwortet – aber bitte: in sehr jungen Jahren! – obsolet. Wer nach einer Antwort sucht, sollte sich mit seiner eigenen Phantasie beschäftigen. Etwas ausführlicher habe ich es auf freitag.de dargelegt: “Das Übel sitzt auf dem Sofa“.

Dazu noch einige Ergänzungen:

# Besonders deutlich wird die individuelle Interpreation von Satire wohl, wenn sie von jemandem als Schund bezeichnet wird. Ob Schund, “entartete Kunst”, “Blasphemie”, “Müll” – die Wertung ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen. Wie jede Rezension. Wie jede Liebes- oder Hassbekundung. Wie ein Heiratsantrag oder eine Kriegserklärung.

# “Wo ist die Grenze der [Satirefreiheit]? Dort, wo es um die Achtung vor dem geht, was dem anderen heilig ist.” Schreibt Kardinal Christoph Schönborn, Erzdiözese Wien. Man sollte nach kurzem  Nachdenken bemerken, dass uns eine solche Grenze völlig mundtot machen würde. Wie sollte Satire dem Nationalen anders begegnen als durch Angebote der Verächtlichmachung des Nationalen? Was jemandem heilig ist, muss ihm unangreifbar sein. Oder es ist eben doch nicht heilig, sondern nur ein wackeliger Götze.

# “Kurt Tucholsky war sicher nicht in Höchstform, als er der Satire bescheinigte, sie dürfe alles. Denn man muss kein saudi-arabischer Zensor sein, um zu wissen, dass das natürlich nicht stimmt. Denn Satire, die sich über Minderheiten, Unterdrückte, Entrechtete lustig macht, ist kein Spaß, sondern bestenfalls pubertär und schlimmstenfalls ein Herrschaftsinstrument.” Schreibt Bernd Matthies auf Tagesspiegel. Eine komische, weit verbreitete Masche: Bin ich anderer Ansicht als jemand, den ich gerne als Zeugen aufrufen würde, dann attestiere ich ihm einen Hänger, einen geistigen Aussetzer. Satire über Nazis also erst, wenn sie (wieder) in der Mehrheit sind? Und Erwachsene Menschen pubertär zu nennen ist kein Versuch, sie billig kleinzureden? Tucholsky zitierte übrigens Alexander Roda Roda: »Humor ist die Verdauung der Satten, Satire der Schrei der Hungrigen.«

# Die Frage, ob etwas überhaupt Satire ist, bleibt ebenfalls im engen Kreis der eigenen Interpreationskunst. Natürlich sind gerade diese öffentlichen Interpreationen notwendig, um über Satire zu sprechen. Aber sie sind niemals objektive Gutachten.

# Juristisch wäre die Frage, was Satire ist, ab dem Moment belanglos, da wir den verrückten Straftatbestand der Beleidigung streichen. Es braucht eine uneingeschränkte Beleidigungsfreiheit, weil sich jeder so bleidigt fühlen dürfen muss wie er mag.

# Über die Grenzen der Satire, die Tucholsky vermutlich gesehen hat, schrieb der Sudelblog schon vor vielen Jahren. Ich stimme dem nicht in jeder Interpretation zu.

# Blasphemie ist in Deutschland nicht verboten. Das Strafgesetzbuch will mit § 166 keinen Gott schützen, sondern “die öffentliche Ordnung”: “Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Ausführlich dazu Diemut Roether, epd.
Interessant dazu ferner: “Satire darf alles, aber nicht alles ist Satire” von Nada Weigel, Stuttgarter Nachrichtent

# Schon vor neun Jahren haben wir im Helgoländer Vorboten die Verletzbarkeit religiöser Gefühle bestritten (wurde damals auch von einigen Medien zitiert). Aber man darf sich natürlich selbst verletzen, indem man

# Und vor acht Jahren habe ich im “journalist” mehr Mut zur Satire im Journalismus angemahnt.

# Auch das ist Satire: der tägliche Schwanzvergleich bei Titanic. (Ansonsten oft: belanglos). Und natürlich fühlen  sich Satiriker immer dann erfolgreich, wenn andere sich über ihre Werke aufregen. Ein Beweis für intelligente Satire ist das aber nicht.

 

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